Hilfe, alle Menschen werden gleich!

Weltverschwörung: In den Krippen werden die Kinder von dunklen, feministischen Mächten zu geschlechtslosen Wesen erzogen.

Wir dachten immer, wir leben im Patriarchat, aber nun werden Stimmen laut, die sagen, dass eigentlich alles ganz anders ist.

QUELLE:  Tages Anzeiger

Spannend wird es werden, wenn nächste Woche die Herbsttagung der nationalkonservativen Zeitschrift «Schweizerzeit» von Ulrich Schlüer steigt. Dort nämlich, so war in der «NZZ am Sonntag» zu lesen, soll eine Referentin namens Inge Thürkauf auftreten, die einigermassen erstaunliche Ansichten über das Gender-Mainstreaming zur Sprache bringen wird. Anders als bisher angenommen, ist darunter nicht bloss eine Bestrebung nach Gleichstellung der Geschlechter zu verstehen, sondern eine geheime Weltverschwörung, welche die Geschlechter in toto abschaffen will und zwar mithilfe von Kindertagesstätten und allgemeiner Hirnwäsche. Am Ende, so malt die Autorin ihre düstere Zukunftsvision, wäre nicht nur das Konzept von Mann und Frau, sondern auch von Familie und Christentum abgeschafft. Dass das zu grosser Verwirrung führen kann, musste ich selbst erfahren, als ich weiter in der zeitung las.

Ich blätterte um und versuchte, mir die unsäglichen Schrecken einer solchen neuen Gesellschaftsordnung vorzustellen – gleichgeschalteten, gesichts- und sexlosen Wesen, die ihre Zeit damit verbringen, ihre Kinder in Kindertagesstätten zu fahren, auf dass sie dort für immer ihrer geschlechtlichen Identität beraubt werden. Der heterosexuelle Normalbürger hingegen wird in den Untergrund abtauchen müssen, wenn er einen möglichen Sexualpartner finden will, denn nur dort werden sich die Menschen in dieser Welt der Zukunft als Männer oder als Frauen outen dürfen.

Ich wollte mich schon wieder beruhigen, als ich einen nächsten Artikel von meinem Lieblingssoziologen Walter Hollenstein entdeckte: «Die Männer sind inzwischen das schwache Geschlecht», lautete der Titel. Männer hätten eine schlechtere Gesundheitsbilanz, höheren Suizidraten, seien häufiger von Gewalt und Depressionen betroffen, hält Hollenstein fest, was die Massenmedien jedoch beharrlich verschweigen würden und zwar einzig aus dem Grund, weil die Opfer diesmal nicht weiblichen Geschlechts seien und überhaupt die Feministinnen Männer verachten würden. Komisch nur, dass mir das vom schwachen Männergeschlecht so bekannt vorkommt. Ja, eigentlich scheint mir, man lese überall und immer wieder davon, wenn auch vielleicht nicht so dramatisch akzentuiert, wie bei Walter Hollenstein. Inzwischen, so erläutert der seine These, habe es sich in den Köpfen der Leute festgesetzt, dass Männer Schweine sind und unser Männersystem ein Schweinesystem sei. Und so sei der Mann, einst Krone der Schöpfung, degradiert worden zur «Latrine der Gegenwart: ekelhaft, unnütz, widerwärtig, böse, aggressiv und degoutant.» Mich schaudert und ich frage mich: Redet Hollenstein von derselben Zukunft wie Frau Thürkauf, oder vielleicht sogar vom Mann der Gegenwart? Und wenn ja, wie konnte mir dieser dramatische Niedergang des männlichen Geschlechts nur entgehen? Denn obwohl ich immer wieder alarmierende Stimmen von weissen, privilegierten Männern vernehme, die im Mann den diskriminierten von Morgen sehen, spricht die Empirie dagegen. Die Männer, die ich darauf anspreche, versichern mir im Allgemeinen, dass es ihnen bestens gehe.

Immerhin hat Hollenstein ein Rezept gegen den weiteren Niedergang: Der Mann müsse wieder zu seinen Tugenden zurückfinden: Selbstbeherrschung, der Wille, über sich selbst hinauszuwachsen, die Bereitschaft Risiken einzugehen, sich Herausforderungen zu stellen und der Unterdrückung Widerstand zu leisten.

Jawoll, das kann ich unterschreiben. Eine Frage habe ich aber noch. Ist nicht dieses, unser System eines, das massgeblich von diesen Tugenden und von Männern in Führungsfunktionen getragen wird? Und gehören die oben aufgezählten Tugenden nicht gerade zu den entscheidende Faktoren, die gemeinhin für die höhere Sterblichkeit der Männer verantwortlich gemacht werden? Und wenn dieses System analog zur Krone der Schöpfung die Krone aller Systeme wäre, wieso geht es dann den Männern darin so schlecht? Wegen der Frauen?

Das ist in der Tat verwirrend. Aber als ich weiter darüber nachdachte, wurde mir einiges klar. Es gibt nur eine Erklärung. Die Gender-Mainstream-Weltverschwörung muss unser System schon in ihren Grundfesten zersetzt haben. Ich dachte nämlich bislang, dass nicht nur der Chefredaktor der «NZZ am Sonntag», Felix E. Müller, ein Mann ist, sondern auch seine Kollegen im Verwaltungsrat, sowie die Chefs der anderen grossen Schweizer Medien. Und es gibt nur zwei Erklärungen, warum diese uns bisher die Weltverschwörung gegen den Mann verschwiegen haben, ganz zu schweigen davon, dass es ihnen gelang, einen solchen Posten zu erobern. Weil sie gar keine Männer sind, sondern Frauen, in Kindertagesstätten dazu umerzogen, die Weltherrschaft anzustreben. Aber einen Trost gibt es dabei: Wenn Frauen das schaffen, heisst das, dass sie inzwischen tatsächlich das stärkste aller Geschlechter sind. Und das ist immer noch besser, als wenn die Menschheit aus zweierlei schwachen Geschlechtern bestehen würde.

Wohlstand im Notstand: Die Brüsseler EU als neuer Gottesstaat

Geiz ist tödlich – Gier sowieso

QUELLE: GEOLITICO

Für Ludwig Erhard war die Marktwirtschaft nie Selbstzweck, sondern essenzieller Bestandteil einer demokratischen Ordnung. Sein Ziel war Wohlstand für alle. Heute sieht man in der Brüsseler EU das Zeitalter des Absolutismus wieder aufleben; den Staat als Ausplünderer und Regulierer der Menschen. Sie ist eine  Steuergeld-, Staatsschulden- und Finanzlobby-Union. Sie ist einstweilen der Tiefststand der Hinterzimmerpolitik dreister Schlips-und-Kragen-Täter, schreibt TIMM ESSER in seinem Essay für GEOLITICO.

 

Denken auf Vorrat – “Von der Rendite leben, nicht vom Kapital”

Die Chicago School of Economics stellt mit Milton Friedman & Co. drei mal so viele Nobelpreisträger wie Harvard. Trotzdem macht die Geldpolitik seit Jahrzehnten das Gegenteil der alten Wirtschaftslehren aus Chicago und folgt den Lehren der Keynesianer; den Kasinobänkern auf Kosten der Steuerkassen.

Mit katastrophalen Folgen – Finanz-Crash 2008 und die groteske Euro-Krise durch staatlich gestützte Spekulation. Gegen diese Geldvernichtung hätten sich sogar Ökonom Milton Friedman (1912-2006) und Psychologe Erich Fromm (1900-1980) verbündet – gegensätzlicher geht es kaum. Freidenker Friedman traut dem Staat nicht, fordert aber ein staatliches Geldmonopol, weil er dem privaten Geldmarkt, den sogenannten “Märkten”, noch weniger traut. Der führt zu Gier. Almosen aus dem Sozialstaat und in der Folge Zwangskonsum asozialer Ramschprodukte führen zu Geiz. Beides führt zur Entfremdung von der realen Welt, nach Fromm die Krankheit des modernen Menschen. Und aktuell nach Enzensberger zur Entmündigung Europas unter der Herrschaft des gottesstaatlichen Brüsseler EU-Monsters.

Wie Lebensqualität manipuliert wird

Was haben Freizeit und Ferienzeit der Bürger mit der Posten-und-Pfründe-Wirtschaft der Politik zu tun? Alles, denn Lebensqualität ist kein Etikett auf einem Marmeladenglas. Die Qualität des Lebens ist interdisziplinär; mithin “systemrelevant” – wenn auch entgegengesetzt zur Sprechblase des derzeitigen politischen Personals. Alles in unserer Gesellschaft hat mit allem zu tun. Wie in der Medizin, wo der Mensch samt Körper und Geist mit allem zu tun hat, dem er ausgesetzt ist.

Während die mittelständische Wirtschaft – mit seinen Unternehmern, Selbständigen und Freiberuflern das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft – mit immer dreisteren Bevormundungen reguliert und zur Steuerkasse gebeten wird, betätigt sich das Politik- und Geldgewerbe als Steigbügelhalter der Grosskonzerne. Deren Eigentümer, die Aktionäre und Börsenspieler, sind schliesslich die sogenannten “Märkte”. Also das Geldgewerbe daselbst, das – unreguliert und als Lieferant der Staatsschulden direkt aus der Steuerkasse subventioniert – seine satten Zinsgewinne wieder in marktbeherrschende Konzerne investiert. Ein bis dato scheinbar endloser Kreislauf.

Der allein für das Politik- und Geldgewerbe höchst profitable Kreislauf beginnt jeden Tag aufs Neue und wird als “systemrelevant” gepriesen. Ein System, das den Bock zum Gärtner macht. Eine Lizenz zum Gelddrucken. Die Zeche zahlt der Mittelstand, die verwässerte Suppe löffelt der Verbraucher aus. Beide zusammen sind die “99 Prozent” der Wirtschaft und der Bürger, die das System finanzieren.

Der Mensch wird zum ferngesteuerten Ersatzteillager

Das System namens “Europäische Union” ist ein klassischer Legitimationsprozess durch Verfahren. Getreu der Luhmannschen Systemtheorie. Obendrein empfiehlt sich diese Tatsache allen Demokraten als Warnung vor den Auswüchsen des Transhumanismus, wie er laut Arte TV unverhohlen an der Singularity University in Kalifornien propagiert wird. Finanziert von ultrarechtem Großkapital mit dem Ziel, Menschen zu Maschinen zu machen – zu menschlichen Robotern. Der Transhumanismus wird von Francis Fukuyama als “eine der gefährlichsten Ideen” bezeichnet. Eine fanatische Elite mit religiösem Sendungsbewusstsein, die im erhofften Milliardengeschäft der Zunkunft unterwegs ist: Nanotechnologie, Biotechnologie, Gentechnik, regenerative Medizin und Gehirn-Computer-Schnittstellen; das Hochladen des menschlichen Bewusstseins in digitale Speicher. Eine Fernsteuerung ohne Widerstand.

Vom Wohlstand zum Notstand: Die Brüsseler EU als neuer Gottesstaat

Im Prinzip eine Planwirtschaft wie zu Zeiten der Betonköpfe im roten Moskau, diesmal nur himmelblau angemalt. Statt Hammer und Sichel auf blutrotem Grund flattern heute allerorts goldene Sterntaler auf blauen EU-Fahnen. Offenkundig eine Kopie der ersten US-Flagge von 1776 , eine grobe Verhöhnung des Gründergeistes der USA. Womit sich eine Handvoll selbsternannter EU-Politiker das Ziel wortwörtlich auf die Fahne geschrieben hat: Die Vereinigten Staaten von Europa. Ungefragt. Eigenmächtig. Seitdem sind 500 Millionen Bürger in 27 souveränen Staaten entmündigt. “Seit der EU-Gründung hat die Bevölkerung nichts mitzureden” (Hans Magnus Enzensberger). Ein Putsch ohne Panzer; eine Diktatur auf leisen Sohlen. Getreu der Vorhersage von Thomas Jefferson vor 200 Jahren.

Um das Schönwettersymbol der Brüsseler EU zu durchschauen und das Szenario zu überblicken, muss die Mehrheit der Bürger nicht erst zu Karrieredoktoren in Politik und Wirtschaft promovieren. Die täglichen Belehrungen durch Chefvolkswirte der Banken und Börsen-Kommentatoren zu besten TV-Sendezeiten empfinden aufgeklärte Bürger längst als Beleidigung der eigenen Intelligenz.

Ausdruck des Zeitgeistes / Screenshot aus einem Video im Text

Ausdruck des Zeitgeistes / Screenshot aus einem Video im Text

Die Geschichte ist eine wertvolle Quelle der Erkenntnis. So sieht man in der Brüsseler EU das Zeitalter des Absolutismus wieder aufleben; den Staat als Ausplünderer und Regulierer der Menschen. Nach dem Drehbuch des Kameralismus vergangener Zeiten: Die direkte Intervention des Staates und die untergeordnete Bedeutung des freien Unternehmertums. Mit dem Bedürfnis der absolutistisch regierten Staaten nach wachsenden Steuereinnahmen zur Bezahlung der Armeen, des Beamtenapparats, der repräsentativen Bauten und des Mäzenatentums der Fürsten entwickelte sich über die Jahrhunderte eine vom Dirigismus geprägte wirtschaftspolitische Praxis. Am Ende gar als Zeitgeist verklärt.

Johann Wolfgang von Goethe lässt in Faust – Der Tragödie erster Teil den Zeitgeist so umschreiben:

Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.

Manipuliert wird freilich nicht nur der Geldfluss des Bürgerkapitals aus der Steuerkasse. Die passende Massenkultur wird gleich mitgeliefert. Ein alltägliches Beispiel: Alle Welt redet von Nachhaltigkeit. Der Begriff wird inflationär, zum politischen Marketing-Instrument, anstatt zum Gütesiegel für gesundes Wirtschaften, wie es jeder Kleinbauer seit jeher vormacht. Nachhaltigkeit droht zur staatlich verordneten, leeren Worthülse für Wohlstand zu werden. Das Gegenteil eines Synonyms für Aufklärung und Leistung.

Halbseidenes Grünzeug wird als Nachhaltigkeit verkauft

Man schmückt sich mit halbseidenem Grünzeug-Glamour: Öko und Werte, Nachhaltigkeit im globalen Maßstab, Megatrends im Future Lifestyle, Finanzprodukte mit Bio-Stempel – solche Sachen. Die Botschaft: “Alles wird gut!” Das zieht immer. Die vollmundige Sprachlosigkeit der Grosskonzern-Mänädscher unterscheidet sich durch nichts mehr vom nichtssagenden Talkshow-Blabla der Politik.

So verbreitet eine Hotelfachzeitung im Juni 2011 brav den Pressetext eines grossen Reklamekunden: “Nachhaltigkeit macht froh” – Auf die beleidigend primitive Überschrift folgt prompt eine ebensolche Begründung: ”Nachhaltiges Handeln stand lange in dem Ruf, Verzicht zu bedeuten. Heute verbindet mehr als die Hälfte der Deutschen mit dem Begriff Nachhaltigkeit auch Lebensfreude. Das geht aus einer Umfrage hervor, die Coca-Cola gemeinsam mit der Verbraucher Initiative e.V. durchgeführt hat.”  Was Limonade mit Nachhaltigkeit zu tun hat, ist freilich nicht überliefert.

Erst auf den Kahlschlag folgte die staatliche Forstwirtschaft

Was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet, hat Carl von Carlowitz schon vor 300 Jahren anschaulich auf den Punkt gebracht, nachdem halb Europa abgeholzt war. Die damalige Holznot war vergleichbar mit einem heutigen Energie-Notstand und hatte grosse Teile der Wirtschaft lahmgelegt. Holz war der alltägliche Rohstoff für Handwerk, Handel (Transport) und Haushalte. Die Wälder wurden geplündert. Deshalb formulierte Carl von Carlowitz 1713 in seinem Werk Sylvicultura Oeconomica erstmals, dass immer nur so viel Holz geschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung, durch Säen und Pflanzen nachwachsen konnte. Das Prinzip der Nachhaltigkeit war erkannt – schon vor 300 Jahren.

Wallstreet - Symbol der neuen Welt / Scrrenshot aus Video im Text

Wallstreet – Symbol der neuen Welt / Scrrenshot aus Video im Text

Aus dem zuerst forstwirtschaftlich geprägten Ansatz hat sich der Leitgedanke für gesundes Wirtschaften im 21. Jahrhundert entwickelt. Die Lösung: “Von den Zinsen leben, nicht vom Kapital.” Nachhaltig gesünder als “frohe Botschaften” von Konzern-Theologen wäre die Rückbesinnung auf das Prinzip von Angebot und Nachfrage, das seit jeher die natürlichen Selbstheilungskräfte der realen Wirtschaft aktiviert und den Gesundheitszustand unserer Konsumgesellschaft verbessern würde. Anstatt Raubbau und Verdrängungswettbewerb durch das Finanz- und Konzern-Unwesen.

“Haben kommt von Halten” – die alte Bauernweisheit beschreibt ein gesundes Prinzip beim nachhaltigen Umgang mit Grund und Boden, mit der Kapitalrendite aus Immobilienbesitz. Die Finanzindustrie hat das Prinzip auf den Kopf gestellt: “Rendite kommt von Zocken” – Kaufen mit dem Kapital fremder Leute, Weiterverkaufen mit dem Ziel schneller Profite. So verkommt der Immobilienhandel zum Börsenhandel. Wie einst der Wald wird heute das Kapital fremder Leute buchstäblich abgeholzt. “Nach uns die Sintflut!”

Wie vor 300 Jahren der Kahlschlag nur durch staatliche Forstwirtschaft gestoppt werden konnte, so kann heute der Kahlschlag des Bürgerkapitals nur durch staatliche Geldwirtschaft gestoppt werden. Genauer: Durch nationalstaatliche Geldwirtschaft, denn das Brüsseler EU-Monster ist kein Staat. Sein Ziel, durch die Gründung der Vereinigten Staaten von Europa die Herrschaft der Finanzindustrie zu legitimieren, bedeutet den Kahlschlag der europäischen Kulturen.

Ein gutes Gegenbeispiel sind die Prinzipien des Architekten und Schriftstellers Frank Lloyd Wright (1867-1959), dessen Werke seit der Entwicklung seines Usonian House die Architektur prägen. Ein Vorläufer der Bauhaus-Schule. “Einfachheit und Ruhe” – Dieser Grundsatz des legendären Baumeisters sollte maßgeblich sein. Um solche Qualitäten zu erreichen, sei alles zu elimieren, was nicht notwendig ist.

Nicht minder spektakulär sind die Fleissarbeiten einer aktuellen Wright-Nachfolgerin. Die Kölnerin Annabelle Selldorf ist heute eine der besten Architekten in New York mit einem erstaunlichen Repertoire an namhaften Standorten. Das Credo der Minimalistin: “It’s all retrospective”. Neben Stadtpalästen für Museen und Universitäten und Hochhäusern in Manhattan gehören auch Ferienhäuser zu Selldorfs kreativer Spielwiese – in den USA eine Disziplin der Architekten-Avantgarde.

Selldorfs Sensibilität beim Umgang mit dem Lieblingsdomizil im Grünen gilt auch für Landhäuser und Strandhäuser in Long Island, dem Atlantik-Resort nahe Manhattan. Long Island ist so gross wie Schleswig-Holsteins Nordseeküste von Hamburg bis Dänemark und in vielen Aspekten vergleichbar. Die Vielfalt dieses Freizeit-Heiligtums der New Yorker wird traditionell gepflegt. Urlaub und Reisen im deutschen Sinne sind für Normalverbraucher in den USA ein unvorstellbarer Luxus. Freizeit begrenzt sich auf Wochenenden, Holidays sind dort nur seltene Feiertage, keine Ferienreisen. Ein kleines Beispiel dafür, wie Konsumenten hierzulande mit Hilfe der Denglisch-Seuche gezielt manipuliert werden.

Wunsch oder Wirklichkeit? / Screenschot aus einem Video im Text

Wunsch oder Wirklichkeit? / Screenschot aus einem Video im Text

Wright-Erben wie Selldorf sind zum Glück die lebendige Antithese zu den Gruselbunkern aus heutigen Betonfabriken wie Rem Kohlhaas’ Rotterdamer OMA (Office for Metropolitan Architecture), die derzeit die neureiche Welt mit Mammutgebäuden pflastern. Getreu dem Schnittmuster der DDR-Plattenbauten in Städten ohne Eigenschaften. Finanziert werden die asozialen Schlachtschiffe vorzugsweise aus den vollen Kassen “moderner” Staatsbänker in China, Singapur, Dubai – und natürlich in EU-Europa.

PPP: Public Private Partnership oder Posten & Pfründe Patenschaft

Wo die Öffentliche Hand ungezählte Milliarden Steuergelder an die Bauwirtschaft zu vergeben hat, da ist das magische Kürzel PPP besonders beliebt. Den Aktionären des Baukonzerns Bilfinger wird der Wert der PPP-Deals vom Ex-Finanzminister Peer Steinbrück bereitwillig bestätigt. Die Welt berichtet: Der Wert für zehn Interview-Antworten des leibhaftigen Steinbrück zur PPP wurde dem Baukonzern von den angeheuerten Redakteuren seines Geschäftsberichts mit 20.000 Euro in Rechnung gestellt.

“Reden ist Geld” hat die FAZ zu Steinbrücks Dinner-Speech-Pfründen festgestellt. Die Nebeneinkünfte des SPD-Kanzlerkandidaten und EU-Kavalleristen hat die Zeitung säuberlich recherchiert und aufgelistet. Überwiegend Honorare von Banken. Ausgerechnet denen hatte Steinbrück in seinem Hauptberuf als Rettungsschirmherr zu Beginn seiner Wahlkampfreden doch den Garaus angekündigt. Realsatire ist geldpolitischer Alltag – die politische Ökonomie ist ein dehnbares Geschäft geworden.

Immobilienblase: In Deutschland drohen spanische Verhältnisse

Trotz der spanischen Krankheit, die das Land in die Pleite getrieben hat, zockt das Geldgewerbe aus aller Welt seit 2008 unbeirrt mit Immobilien-Spekulationen in Deutschland. Kommunalpolitiker fördern die Preistreiberei trotz Euro-Krise seit nunmehr vier Jahren. In den Metropolen heisst das Monopoly-Spiel Gentrifizierung oder auch Yuppisierung. Gebaut wird auf Pump. Verhökert wird an Immobilien-Fonds. Die Zeche zahlt der brave Normalbürger: Der Kleinanleger und/oder der Verbraucher.

Die aktuelle Lage in Deutschland: Mieten und Kaufpreise für Wohnungen sind im 3. Quartal 2012 weiter gestiegen. In kreisfreien Städten werden für Mietwohnungen inzwischen durchschnittlich 8,93 Euro/m² verlangt, das sind 1,9 % mehr als noch im 1. Quartal 2012, wie das Forschungsinstitut Empirica auf der Grundlage von 2 Mio. Inseraten ermittelt hat. Der Preisanstieg hält seit nunmehr vier Jahren an. Teuerste Städte sind nach wie vor München (13,03 Euro/m²), Frankfurt (12,07 Euro/m²), Hamburg (10,99 Euro/m²) und Stuttgart (10,72 Euro/m²). Eigentumswohnungen in den kreisfreien Städten verteuerten sich in nur neun Monaten durchschnittlich um 2,8 % auf 2.557 Euro/m². Hier liegt ebenfalls München mit einem Quadratmeterpreis von 4.591 Euro an der Spitze, gefolgt von Freiburg (4.187 Euro), Stuttgart (3.218 Euro) und Hamburg (3.205).

Der Immobilien-Raubzug in Spanien

Diese Durchschnittswerte sind erschreckend genug. Die handelsüblichen Exzesse in den deutschen Metropolen und Schickeria-Lagen dagegen haben spanische Zustände erreicht. Der konzertierte Raubzug in Spanien war eine Koproduktion von Politik und Finanzindustrie, überwiegend der öffentlich-rechtlichen Sparkassen, zuweilen im Format von Grossbanken und “kontrolliert” von der jeweils regierenden Partei. Die Plünderer sind weiterhin in Amt und Würden, schlimmstenfalls nur abgewählt.

Bittere Realität / Scrrenshot aus Video im Text

Bittere Realität / Scrrenshot aus Video im Text

Bis heute wird keinem von Tausenden staatstragender spanischer Lehman Brothers der Prozess gemacht. Auch keinem von Tausenden Brüsseler EU-Beamten, denen das makabere Schauspiel ein Jahrzehnt lang angeblich entgangen ist – mitten im ach so integrierten EU-Europa, in dem zwar der Krümmungsgrad spanischer Bananen vermessen wird, nicht aber die Sickergruben des Geldgewerbes.

Nicht nur in der Politik, auch in den deutschen Medien und Industrielobbys wurde – und wird – die spanische Zeitbombe unisono totgeschwiegen. Das ist umso merkwürdiger, als ein gutes Dutzend führender deutschen Massenmedien seit etwa 40 Jahren erfahrene Korrespondenzbüros in Madrid unterhält und deutsche Konzernfilialen die spanische Industrie dominieren – seit nunmehr 100 Jahren; so alt ist die Deutsch-Spanische Handelskammer vor Ort. Hinzu kommt die landesweit operierende Deutsche Bank, die zusätzlich Spaniens Postbank betreibt. Sind Tausende deutscher Spanien-Geschäftsführer bereits Untertanen der veröffentlichten Meinung? In diesem Fall noch gravierender: Der nichtveröffentlichten Meinung. Obwohl die Staatspleite seit Jahren Tagesgespräch auf offener Strasse ist; in einem Land mit fast 50 Millionen Einwohnern. Eine Zensur totalitärer Dimensionen.

Die Bilanzleichen in den Kellern der Bad Banks werden nun unter EU-Rettungsschirmen getrocknet, die betrogenen Bürger aber bleiben über Generationen überschuldet. Statt Währungsreform und Neubeginn ist Spaniens Volkswirtschaft jetzt zurück in der finsteren Franco-Zeit des vergangenen Jahrhunderts. Summa summarum: Zufall oder Absicht? Grobe Dummheit oder machiavellische Intelligenz?

Seit den Gründerzeit-Pionieren um Henry Ford hat sich kaum etwas geändert

Wie schnell sich die Zeiten ändern – möchte man meinen, vergleicht man die beschaulichen Bilder vom Beginn des Reisezeitalters vor nur 50 Jahren mit den heutigen Betonwüsten an Mittelmeerstränden. In Wahrheit hat sich kaum etwas geändert. Ausser: Heute ist alles reguliert. Von der Bananenkrümmung bis zur Glühbirne, angeblich zwecks “Verbraucherschutz”. Eine ebenso schamlose wie respektlose Gleichmacherei, die den vielfältigsten und liebenswertesten Multikulturkreis auf diesem Planeten, den Kontinent Europa, vor allem EU-, Euro- und Konzern-tauglich machen soll.

Nur in den elementarsten Wirtschaftssektoren herrscht hemmungsloser Wildwuchs: Im Geldgewerbe, in der Nahrungsverseuchung, im Energiegeschäft, in der Gesundheitsindustrie, um nur einige beim Namen zu nennen. Unsere Gesellschaft ist längst nicht mehr von Angebot und Nachfrage geprägt, sondern von Plattmachern zwecks Konsum versus Vernunft. Dank omnipräsenter staatlicher Intervention gegenüber Normalbürgern. Und dank Subventionen aus den Steuerkassen, mit deren Hilfe den Konzern-Oligarchen die Kosten und Verluste verstaatlicht und den Börsenspielern die Gewinne privatisiert werden. Das Kunstgeld aus den Gelddruckmaschinen will rotieren. Gegen immer schnellere Verzinsung, folglich immer riskanter. Eine hochexplosive Mischung.

Es ist alles gesagt / Screenshot aus einem Video im Text

Es ist alles gesagt / Screenshot aus einem Video im Text

Das ist nicht im Sinne der mühsamen Industriellen Revolutionen in der 200-jährigen Geschichte der realen Wirtschaft, die trotz aller Erschwerniszulagen seitens der Staatspolitik (Diktaturen, Kriege, Posten & Pfründe) und seitens der Finanzmärkte überlebt hat. Dagegen hat Automobil-Legende Henry Ford schon vor 100 Jahren lautstark gewettert. Henry Ford der Erste (1863-1947), der Ökologie-Pionier, Vorzeige-Unternehmer und Zeitungsverleger aus Leidenschaft, wörtlich über seinen Erzfeind: “Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen Früh.” Da hatte der bodenständige Bauernsohn und geniale Ingenieur bereits Wirtschaftsgeschichte geschrieben.

Nach Henry Ford wurde der Begriff Fordismus benannt, dessen Organisation von Arbeit und Kapital als typisch für die industrielle Epoche gilt: Die Entwicklung des Wohlstands anstelle des zu erwartenden krisenhaften Zusammenbruchs des Kapitalismus.

Seit 200 Jahren: Thomas Jefferson versus Goldman Sachs & Co.

Bei diesem markanten Beispiel kann man bleiben, indem man die Zeit noch weiter zurückdreht. Zurück zu Thomas Jefferson, dem dritten US-Präsidenten und einem der aufgeklärtesten Staatsmänner der Weltgeschichte, der das heutige Finanz-Desaster schon vor 200 Jahren vorhergesagt hat. Das geschichtsträchtige Jefferson-Zitat von 1809:

Ich bin davon überzeugt, dass die Bankinstitute eine größere Bedrohung für unsere freiheitliche Ordnung darstellen als stehende Armeen … Sollte das amerikanische Volk je zulassen, dass private Banken die Kontrolle über die amerikanische Währung erobern, dann werden die Banken und die in ihrem Umfeld entstehenden Unternehmen … die Menschen all ihres Reichtums berauben, bis ihre Kinder eines Tages … ohne ein Dach über dem Kopf aufwachen. Die Macht, Geld in Umlauf zu bringen, muss den Banken entrissen und an das Volk zurückgegeben werden, dem sie von Rechts wegen zusteht.

Mit fremder Leute Schulden und Steuern lässt es sich vorzüglich zocken

Dem bleibt heute, 200 Jahre später, nur hinzuzufügen: Die Wurzel des Übels hier in Europa, vor unserer Haustür, ist die Geld-Union namens “Europäische Union”. Konkret eine Steuergeld-, Staatsschulden- und Finanzlobby-Union, die sich – siehe Jefferson – nur noch mühsam durch rechtsstaatliche Organe wie das deutsche Bundesverfassungsgericht kontrollieren lässt. Also nur noch unter dem Rettungsschirm der obersten Richter in souveränen Staaten. Das ist einstweilen der Tiefststand der Hinterzimmerpolitik dreister Schlips-und-Kragen-Täter. Heute, 200 Jahre nach Jefferson, werden die Schlüsselpositionen der Geldmacht EU erneut von Goldman-Sachs-Bänkern & Consorten kontrolliert. Allen voran vom obersten Währungshüter in der Euro-Bank EZB.

Die Realwirtschaft hat überlebt, auf die Naturgesetze der Physik war Verlass. Bis dato jedenfalls, denn der vermeintliche Wohlstand ist im Stress. Da mittelständische Produzenten und Konsumenten heute vor allem Steuerzahler sind (Ex-Kanzler Kohl: “50% Steuerbelastung ist Kommunismus”) und die geplatzten Blasen bezahlen, geht die Schere zwischen Gier und Geiz immer weiter auseinander. Andere nennen es Arm und Reich – aber das ist eine linkspopulistische Wortwahl, die über die Dynamik des Geschehens nichts aussagt. Arme und Reiche gab es immer schon. Das fällt in den Bereich der Naturgesetze; mit denen sollte man neidlos leben. Jedenfalls solange Exzesse rechtsstaatlich unterbunden werden.

Gier und Geiz jedoch gehören zu den Exzessen des mittelalterlichen Absolutismus. Der ist buchstäblich entthront durch jahrhundertelange geistige Aufklärung und handfeste Aufstände bis zum heutigen Tage – von Wilhelm Tells Flitzebogen über die Pariser Guillotine bis zum Arabischen Frühling. Allesamt Nationalheiligtümer und freigeistige Kulturgüter; freilich erst hinterher.

Ein deutsches Wirtschaftswunder ist für EU-Europa illusorisch

Das deutsche Wirtschaftswunder war kein Wunder. Sein Prinzip ist das Gegenteil der EU-Politik. Trotzdem propagieren EU-”Retter” heute dieses Wunder frivol als Lösungsmodell für marode Staaten, die sich durch hemmungsloses Neureichtum, politische Korruption und gieriges Geldgewerbe ruiniert haben. Durch wirtschaftliche Exzesse, nicht durch kriegerische Gewalt.

Als Gegner von Zwangswirtschaft und staatlichem Dirigismus wäre Ludwig Erhard heutzutage der prominenteste EU-Gegner. Erhard ist von Anfang an gegen die gerade in Deutschland traditionell so mächtigen Lobby-Verbände und Wirtschaftskartelle vehement vorgegangen. Auch Milton Friedman bewunderte Ludwig Erhard, als der unter den “Marktwirtschaftlern” der 60er und 70er Jahre sogar als altmodisch attackiert wurde.

Ganz anders als in der heutigen EU waren die Ursachen des Wirtschaftswunders vor 50 Jahren auf brutale Weise transparent. Deutschland war zwischen Kriegsende und Währungsreform ein völlig zerstörtes, hungriges und armes Land. Als Industrienation am Ende eines fanatischen Weltkriegs in Schutt und Asche gebombt – unterernährt, aber nicht unterentwickelt. Die Startbedingungen der realen Wirtschaft waren sehr gut: Währungsreform, freie Preisbildung und Aufhebung der Zwangswirtschaft fielen mit einem enormen Nachholbedarf auf allen Gebieten zusammen.

Die Währungsreform im Juni 1948 war der Grundstein – eine Voraussetzung für die Neuordnung der Wirtschaft. Die durch den Krieg geschädigte Bevölkerung besaß einen ungeheueren Aufbauwillen und große Arbeitsdisziplin. Das Ausbleiben extremer sozialer Spannungen begünstigte die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung. Die Bundesrepublik entwickelte sich seit den 50er Jahren zu einer modernen Industriegesellschaft mit stark ausgeprägtem Diensteistungssektor.

Wundersame Geldvermehrung / Screenshot aus einem Video im Text

Wundersame Geldvermehrung / Screenshot aus einem Video im Text

Von all dem findet sich in den heutigen EU-Krisenstaaten keine Spur. Heute ist nicht der Aufbau aus Schutt und Asche erforderlich, sondern – im Gegenteil – der Abbau korrupter Strukturen. Die aber werden durch gigantische Rettungsschirme aus Steuerkassen, durch inflationäre Gelddruckerei und durch antisoziale Umverteilung weiter gefestigt anstatt beseitigt. Allein zum Nutzen des Politik- und Geldgewerbes. Würde man die Krisenstaaten zum Nutzen der Bürger sanieren, dann wären nationale Währungsreformen wie 1948 der einzig solide Grundstein. Zugleich der Grabstein für die Beerdigung des unsäglichen Euro. Die mahnende Grabinschrift: “Pecunia veritas est” (“Geld ist Wahrheit”).

Ludwig Erhard hätte die EU als “Freibeutertum” verteufelt

Ein Erhard-Zitat, ein halbes Jahrhundert alt, wäre noch heute die Lösung der EU-Krise:

Nicht die freie Marktwirtschaft des liberalistischen Freibeutertums einer vergangenen Ära, auch nicht das ‘freie Spiel der Kräfte’ und dergleichen Phrasen, mit denen man hausieren geht, sondern die sozial verpflichtende Marktwirtschaft, die das einzelne Individuum wieder zur Geltung kommen lässt, die den Wert der Persönlichkeit obenan stellt und der Leistung dann aber auch den verdienten Ertrag zugutekommen lässt, das ist die Marktwirtschaft moderner Prägung.

Auf gut deutsch: Europa kann nur gerettet werden, indem die EU samt Euro wieder abgeschafft wird.

Für Ludwig Erhard war die Marktwirtschaft nie Selbstzweck, sondern essenzieller Bestandteil einer demokratischen Ordnung. Sein Ziel war nicht die Optimierung der Marktstrukturen, sondern das Glück vieler. Er hat immer wieder betont, dass es in der Wirtschaft nur einen Maßstab gebe, nämlich den Verbraucher. Sein Ziel war Wohlstand für alle. Wie auch für Milton Friedman, der noch als 90-Jähriger der Bush-Administration und der Brüsseler EU die selben schweren Manipulationen vorgeworfen hat.

Leichtverdientes Geld = Leichtsinniger Konsum

Die Ursache liegt gewiss in der ungewöhnlich langen Wohlstandsphase seit den frühen 1960er Jahren. Der Zusammenhang von leichtverdientem Geld und leichtsinnigem Konsum ist offenkundig. Die Exzesse im Jahrzehnt vor dem Crash 2008 hat das System dann nicht mehr verkraftet. Die durch Spekulationsblasen in den Finanzmärkten und durch schnelles Geld entstandenen Schuldenlöcher sind gigantisch. Ein Fass ohne Boden für den produzierenden Souverän; den steuerzahlenden Bürger.

In kaum einem anderen Wirtschaftssektor wird die Verleitung zu unvernünftigem Massenkonsum deutlicher als in der Freizeitwirtschaft. “Freizeit ist Opium fürs Volk” würde Karl Marx, der kein Marxist war, heutzutage wohl sagen. Das Ergebnis ist eine Spassgesellschaft mit infantilen Erscheinungsformen – rückschrittlich statt fortschrittlich für Körper und Geist. Ein Beispiel ist die Erfindung der “Ferienflieger” aus dem Versandhauskatalog, speziell in Deutschland und Grossbritannien. Die Menschen leiden unter Freizeit-Überfluss. Die Folge ist der Reisekonsum aus dem Supermarkt – der Fast-Food-Tourismus zu Low-Cost-Preisen statt gesunder Reisekultur. Ganz im Interesse seiner Erfinder; der Freizeit-Konzerne.

Paradoxe Kommunalpolitik: Touristen-Marketing statt Kurgast-Kultur

Kaum verwunderlich, dass “Tourismus” – insbesondere “Tourist” – bereits als Schimpfwort verstanden wird. Bezeichnend ist, dass damit immer nur die anderen “Touristen” gemeint sind und sich niemand diesen Schuh auch selber anzieht. Ganz anders an der Nordsee. Hier sind Urlauber bis zum heutigen Tage Feriengäste oder Kurgäste. Der Respekt vor Feriengästen ist im Norden auch dann ungetrübt, wenn der Nachwuchs dafür auf das eigene Apartment verzichtet, das die Eltern als Ferienwohnung vermieten. Eine gastfreundliche Tradition. Schon hier beginnt der Unterschied zur Reiseindustrie.

Paradoxerweise wird das Schimpfwort Tourismus aber ausgerechnet von öffentlichen Einrichtungen propagiert – mittels satter Budgets aus den Steuerkassen. Was sich früher in deutschen Ferienorten noch höflich Kurverwaltung oder Verkehrsverein nannte, biedert sich heute in schrillen Tönen an: Als kommunale Tourismus Marketing GmbHs oder bestenfalls als Tourist Info. Ein engmaschiges Netzwerk mit dem Auftritt drittklassiger Werbeagenturen; von der Reisekultur so weit entfernt wie die Pillenreklame von einer Landarztpraxis.

Solange zigtausend Gastgeber – die Eigentümer privater Ferienhäuser und Ferienwohnungen – diesen Unfug mit Steuerzahlungen finanzieren, haben die Bürger ein Anrecht auf gemeinnützige Dienstleistung inklusive zivilisierter Namensgebung. Zum Beispiel Kurgast-Büro oder Gäste-Service, Besucher-Information oder Ferien-Information. Auch in deutschen Amtsstuben sollte sich herumgesprochen haben, dass “Touristen” andernorts auf der Welt zunehmend ausgesperrt werden. Von Venedigs Bürgermeister ebenso wie von Nationalparks in der Dritten Welt – wegen Umweltschädigung. Ganz im Gegensatz zu den allerorts willkommenen Privatgästen.

Eine weitere Folge der Übersättigung ist der Verdrängungswettbewerb zu Lasten von Qualität und Leistung. Und zu Lasten eines fairen Wettbewerbs bei Angebot und Nachfrage. Früher, zu Zeiten der Schwerindustrie, haben mutige US-Politiker noch Anti-Trust-Gesetze geschaffen und sind dafür nicht selten erschossen worden. Heute sitzen Politiker in hochdotierten Aufsichtsräten und stehen als “Berater” auf der Payroll börsennotierter Konzerne. Eine dreiste Interpretation von nachhaltigem Wettbewerb.

Wie konnten die Exzesse im Freizeitmarkt entstehen?

Mangels Alternativen im eigenen Land oder nur mangels Vernunft? Das ist nicht nur ein Thema für die Empirische Sozialforschung – auch für die Psychoanalyse, also für Erich Fromm. Ein treffendes Zitat des deutschstämmigen US-Philosophen: “Funktionales Eigentum ist ein existenzielles Bedürfnis des Menschen; institutionalisiertes Eigentum hingegen befriedigt ein pathologisches Bedürfnis.”

Entfremdung ist nach Erich Fromm die Krankheit des modernen Menschen. Wikipedia hat die Definition Entfremdung nach dem Philosophen und Psychoanalytiker Fromm so zusammengefasst:

Der Mensch wird zum Götzendiener, der das Werk seiner eigenen Hände anbetet. Er ist nur noch damit beschäftigt zu arbeiten, um konsumieren zu können. Er möchte viel haben statt viel zu sein. Machtstreben, Vergnügungssucht und Besitz verdrängen Liebe, Freude und persönliches Wachstum. Ängstlichkeit verbindet sich mit der Unfähigkeit zu lieben. Der moderne Mensch flieht in ein leeres Geschäftigsein. An die Stelle der traditionellen Werte des Guten, Schönen und Wahren, die der Entfaltung des Menschen dienten, ist der technologische Wert getreten: Das technisch Mögliche wird zum Selbstzweck; ist etwas technisch möglich, dann wird es auch getan. Nach Fromm soll man sich der humanistischen Alternative bewusst werden. Der Humanismus geht vom fühlenden, lebendigen, leidenden und denkenden Menschen als der zentralen Kategorie aus.

Milton Friedman: “Der Euro wird die erste schwere Krise nicht überleben.”

Stichwort “denkender Mensch”: Milton Friedman hat in seinem langen Leben als empirisch arbeitender Ökonom und als liberaler Freidenker gewirkt, das Individuum und seine Freiheit ins Zentrum seiner Überlegungen gestellt und dem Staat wenig Vertrauen entgegengebracht. “Der Euro wird die erste schwere Krise nicht überleben.”  Diese Prophezeiung machte der Wirtschaftsnobelpreisträger bereits 1999, ein Jahr vor Einführung der EU-Währung. Er blieb ein überzeugter Anhänger des staatlichen Geldmonopols. Er lehnte den privaten (Banken-) Geldmarkt ebenso ab wie die Deckung von Geld durch Edelmetalle oder Rohstoffe, die er als reine Verschwendung von Ressourcen betrachtete.

Die Religion der neuen Zeit / Screenshot aus einem Video im Text

Die Religion der neuen Zeit / Screenshot aus einem Video im Text

Das Szenario heute, frei nach Friedman: Die US-Notenbank Fed ist de facto eine Privatbank. Was die Euro-Notenbank EZB de facto ist, weiss niemand so recht, solange die Brüsseler EU von privaten Parteifürsten regiert wird und nicht von gewählten Bürgern. War die alte EWG noch eine vernünftige Freihandelszone, so hat sich die EU zu einer Neuauflage des Kaiserreichs entwickelt, regiert von Geldpäpsten und Landesfürsten. Ein feudaler Überstaat am Tropf bevormundeter Steuerzahler – das schiere Gegenteil einer Demokratie. Von einem krankhaften Narzissmus befallen, der selbst vor dem eigenmächtig propagierten Endziel “Vereinigte Staaten von Europa” nicht zurückschreckt.

Leere Europasprüche – voller Knüppeleinsatz

Einstweilen schwafeln Politiker aller Couleur noch von der “Integration in Europa”. Integration in was? War vor der Erfindung der EU etwa ein Staat isoliert und ausgegrenzt? Und von was? Antworten gibt es keine. Stattdessen immer neue, leere Sprüche von der “Einigung Europas”. Noch nie gab es mehr Uneinigkeit zwischen Bürgern und Politikern wie heute. In Europas nationalen Rechtsstaaten werden eindeutige Begriffe wie Hausherr (Bürger) und Dienstbote (Politiker) buchstäblich vertauscht. Der Wille des alleinigen Souveräns (des Bürgers) wird ignoriert; Volksabstimmungen werden verhindert.

Wer will da wem die Zwangseinweisung in welches System diktieren? Wer erdreistet sich da, Deutschlands freie Bürger, und die Bürger in 26 weiteren souveränen Staaten, zu Untertanen einer künstlich erzeugten Fremdmacht zu machen? Oder – um dem Humbug die Krone aufzusetzen – Spaniens König zum Kammerdiener und Britanniens Queen zur Kammerzofe Brüsseler Beamter? Beamte sind Staatsdiener. Anmaßend genug, dass die EU sich Beamte leistet, ohne ein Staat zu sein. Paradox genug, dass ihre Beamten von Steuerzahlern fremder Staaten bezahlt werden. Noch dreister, dass der EU-Apparat darauf drängt, Steuern in fremden Staaten eintreiben zu können.

Zurück zum echten Europa mit seinen lebens- und liebenswerten Kulturen

Der Amerikaner Friedman würde die Zustände mit dem Alten Rom vor über 2000 Jahren vergleichen: Von der Römischen Republik, res publica, zum Römischen Kaisertum. Paradoxerweise mit der EU-Kaiserpfalz in Belgien; einem vormals blühenden Wirtschaftsraum, seitdem ein staatliches Kunstgebilde aus der Zeit der käuflichen Monarchien. Heute, nach gut 200 Jahren, ist Belgien immer noch unfähig, sich auf kleinstem Raum selbst zu integrieren – weil aus widernatürlichen Machtspielen selbstgekrönter Familiensippen entstanden. Genau wie das derzeitige EU-Europa. Welchem freien Bürger auf diesem Kontinent nutzen solche Aussichten im 21. Jahrhundert?

Und wem nutzt das benachbarte Finanzparadies Luxemburg im Format einer Stadtgemeinde, dessen Lokalpolitiker sich kraft eines EU-Amtes erdreisten, ungefragt über 500 Millionen fremde Europäer in 27 fremden Staaten zu herrschen? Nach dem selben politischen Dreisatz werden künftig Herrschaften aus Sizilien oder Zypern neue Gesetzesvorlagen für den Deutschen Bundestag schreiben. Im schlimmsten Fall wird eine ausländische Troika den Bürgern in Deutschland bald die Kürzungen der Löhne, Renten, Sozialleistungen und Infrastrukturkosten vorschreiben und deutsches Steuergeld nach Belieben in wildfremde Kassen kanalisieren. Genau das geschieht heute bereits in Südeuropa. Ein unappetitlicher Vorgeschmack auf die Vereinigten Staaten von Europa.

Dem trotz seiner beschränkten Kontrollfunktion sogenannten Europäischen Parlament wurde vom Bundesverfassungsgericht längst bescheinigt: Dieses Parlament ist “kein Repräsentationsorgan eines souveränen europäischen Volkes”. Ein souveränes europäisches Volk gibt es nicht. Es sei denn, dass die Bürger eines jeden souveränen Staates dies per Volksabstimmung selbst entscheiden. So dumm ist kein Volk. Also wird die Demokratisierung der EU verhindert.

Enzensberger über die Entmündigung Europas

Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger, 83, kommentiert sein 2011 erschienenes Buch “Sanftes Monster Brüssel oder Die Entmündigung Europas” (Suhrkamp Verlag) mit der Feststellung: “Als hätte es die Verfassungskämpfe des 19. und 20. Jahrhunderts nie gegeben, haben sich EU-Ministerrat und EU-Kommission schon bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaft darauf geeinigt, dass die Bevölkerung bei ihren Beschlüssen nichts mitzureden hat.”

Enzensberger weiter:

Immerhin kann sich die Europäische Union aber einer Herrschaftsform rühmen, für die es kein historisches Vorbild gibt. Ihre Originalität besteht darin, dass sie gewaltlos vorgeht. Sie bewegt sich auf leisen Sohlen. Sie gibt sich erbarmungslos menschenfreundlich. Sie will nur unser Bestes. Wie ein gütiger Vormund ist sie besorgt um unsere Gesundheit, unsere Umgangsformen und unsere Moral. Auf keinen Fall rechnet sie damit, dass wir selber wissen, was gut für uns ist; dazu sind wir in ihren Augen viel zu hilflos und zu unmündig. Deshalb müssen wir gründlich betreut und umerzogen werden.

Schlechte Aussichten also. Oder wie der Ingenieur beim Untergang der Titanic: “Salzwasser in der Tennishalle! Ja, das ist ärgerlich, aber nasse Füße sind noch lange nicht das Ende der Welt.”

Bis heute hat noch kein Bürger eines souveränen Staates den Namen eines “EU-Politikers” auf einem Wahlzettel gelesen. Was Brüsseler Funktionäre aber nicht davon abhält, “EU-Richtlinien” an die gewählten Abgeordneten fremder Staaten zu erlassen und für den Fall, dass diese “Richtlinien” nicht unverzüglich in nationale Gesetze verwandelt werden, fremde Staaten mit Strafen zu belegen. Frei übersetzt: Papst und Kaiser in Personalunion. Das gab es nicht einmal im tiefsten Mittelalter.

Cicero: “Wie lange noch, Catilina, wirst du unsere Geduld missbrauchen?”

Es hat etwas von weltfremdem “Grössenwahn” (Enzensberger), wenn man romanische Völker germanisieren und germanische Völker romanisieren will. Und slawische, turkmenische und kaukasische Völker gleich mit. Daran haben sich schon römische Kaiser in Germanien und germanische Kaiser im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation die Zähne ausgebissen. In freier Natur wie im geistigen und wirtschaftlichen Zusammenleben war Multikultur – im Gegensatz zur Monokultur – schon immer eine fruchtbare Bereicherung. Freie Entfaltung statt planwirtschaftliche Oligarchie. Das gilt seit dem altspanischen Toledo bis zu heutigen Multikulturzentren wie London, Paris oder New York.

Europa nach Schweizer Art: Multikultur statt Monokultur

Wie Europa prächtig funktioniert, das zeigen allein die EU-freien Schweizer Eidgenossen: Mit Direkter Demokratie und mit Respekt – indem man sich in einer Vielvölker-Region tunlichst aus dem Weg geht. Man geniesst die Vorteile und ignoriert die Nachteile. Wie seit Jahrhunderten in der multikulturellen Schweiz; bis heute einmalig in der Welt. Wie im richtigen Leben – in jedem zivilisierten Privathaushalt, in jedem zeitgemässen Betrieb der Realwirtschaft.

Wir leben alle unter dem gleichen Himmel / Screenshot aus Video im Text

Wir leben alle unter dem gleichen Himmel / Screenshot aus Video im Text

Schon Konrad Adenauer bescheinigte den Planwirtschaftlern der SPD: “Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.” Jedem das Seine. Sogar dem deutschen Kanzler-Ehrgeizling Peer Steinbrück – “gross gewachsen unter kleinen Leuten” (FAZ) – dessen “Kavallerie” nicht die erste wäre, die in der freien Schweiz verdroschen wird. Statt peinlicher Pickelhauben-Propaganda sei Steinbrücks EU-Reiterstaffel der Mut empfohlen, im nationalen Wahlkampf den antinationalen Horizont der Vereinigten Staaten von Europa aufzuzeigen. Statt Plakatkleber-Pöbelei vom “Kante zeigen” wäre das einmal ein ehrlicher Klartext.

Zum Klartext über die “Witzfigur” Steinbrück sieht sich sogar die sonst so diplomatische Frankfurter Allgemeine Zeitung veranlasst: “Wie wird dieser Mann sich erst aufführen, wenn er wirklich einmal Kanzler wäre? Er ist jetzt schon einer, der strukturell aus dem Häuschen ist.” Folgerichtig fragt sich die FAZ im selben Leitartikel: “Oder ist die herablassende Manier, die er für Selbstbewusstsein hält, ein Zeichen für odium humani generis, wie die Alten die Menschenverachtung nannten?”

Zum Glück halten 80 Prozent der Wähler den EU-Kanzlerkandidaten für weniger grossartig als der sich selbst. Möge der Wille des Volkes geschehen und Herrn Steinbrück zu seiner ersehnten “Beinfreiheit” verhelfen – zum SPD-Hinterbänkler im Bundestag. Besser noch wäre Direkte Demokratie nach Schweizer Art. Dann könnten sich Hinterbänkler nachhaltig die Beine vertreten; im Privatleben anstatt in den Lobbys der Parlamente.

Kein Mensch braucht einen neuen Gottesstaat. Kein aufgeklärter Bürger braucht Plünderkapitalismus und Knüppelkommunismus aus einer Hand – die Schizophrenie im Endstadium. Schlimm genug, dass Harvard-Apparatschiks heutzutage die Heilige Dreifaltigkeit der Politik-, Finanz- und Konzern-Kleptokratie dominieren, während die geistige Elite der Chicago School – als Teil der intellektuellen Opposition – zu retten versucht, was noch zu retten ist.

Milton Friedman war wie fast alle großen Ökonomen ein Mann mit Prinzipien, aber verbunden mit einer gehörigen Prise Pragmatismus. Letztlich hielt er sich – und das macht ihn sympathisch – keineswegs für unfehlbar, woran sein Schüler und spätere Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften Robert Lucas erinnert: “Eine der vielen Lektionen, die ich in Friedmans Vorlesungen lernte, war, meine eigenen Ansichten zu entwickeln, indem ich ökonomische Logik so gut wie möglich anwandte, und keinen Autoritäten zu trauen – nicht einmal Friedman selbst.”  

In diesem Sinne wünschen wir allen Lesern Erhohlung vom “Wohlstand” der ungesunden Art: Auf dass Sie den Notstand gesund und nachhaltig überleben.

 

EU und USA bereiten Kriegseinsatz in Mali vor

QUELLE: World Socialist Web Site

Von Ernst Wolff
25. Oktober 2012

Während die Presse die EU für die Verleihung des Friedens-Nobelpreises feierte, leiteten deren Spitzendiplomaten in der vergangenen Woche konkrete Schritte zu einem weiteren imperialistischen Kriegseinsatz in Afrika ein. Chefdiplomatin Catherine Ashton wurde beauftragt, binnen 30 Tagen ein Konzept für eine „Mali-Mission“ vorzulegen.

Nach Aussagen von EU-Diplomaten sieht eine solche Mission die Entsendung von 150 EU-Militärexperten vor, die über einen Zeitraum von vier bis sechs Monaten malische und afrikanische Truppen trainieren sollen. Als Vorbild gilt die EUTM (European Training Mission) für Somalia, die seit Mai 2010 Soldaten der somalischen Armee in Uganda ausbildet. Eine endgültige Entscheidung über die Art des militärischen Engagements der EU soll am 19. November fallen.

Am 12. Oktober hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einem internationalen Militäreinsatz in Mali zugestimmt und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon beauftragt, mit der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und der Afrikanischen Union (AU) bis Ende November Pläne mit Angaben zu Personal, Kosten und Einsätzen für eine Militärintervention vorzulegen.

Die eigentliche Leitung der Intervention liegt aber weder bei der UNO noch bei der EU, sondern bei der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Die Pariser Regierung hat die Resolution des UN-Sicherheitsrats ausgearbeitet, die grünes Licht für den Militäreinsatz gab. Sie entwickelt hektische diplomatische Aktivitäten, um afrikanische Regierungen zur Unterstützung des Einsatzes und zur Bereitstellung von Truppen zu gewinnen. Französische Generäle arbeiten auch die militärischen Einsatzpläne aus. Sie drängen zur Eile, damit der Einsatz rechtzeitig vor Beginn der Regenzeit Ende März 2013 beginnen kann.

Frankreich hat dabei die volle Rückendeckung der USA, die Berichten zufolge Drohnen für den Einsatz bereitstellen wollen. Auch die deutsche Regierung hat bereits ihre Beteiligung zugesagt. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte am Montag vor Bundeswehrsoldaten ihre grundsätzliche Bereitschaft, sich an einer „Ausbildungs- und Unterstützungsmission in Mali“ zu beteiligen.

In Paris trafen diese Woche hochrangige Offiziere und Diplomaten Frankreichs und der USA zusammen, um über „Sicherheitsfragen in der Sahel-Zone“ zu beraten. Nach den Gesprächen gab ein Sprecher des französischen Verteidigungsministeriums bekannt, dass Frankreich sich eine aktive Beteiligung der EU an der logistischen und planerischen Gestaltung der Militärintervention nach dem Vorbild der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias wünsche.

Während Frankreich, die USA und die EU Ziel und Zweck des Militäreinsatzes bestimmen, sollen die Truppen dafür vorwiegend aus afrikanischen Ländern kommen. Laut bisherigen Plänen wird die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) rund 3.000 Soldaten für den Einsatz stellen. Die EU und die USA sind für die Ausbildung, die Finanzierung, die Lieferung von Waffen und die militärische Planung zuständig. Auf diese Weise soll dem Einsatz „ein afrikanisches Gesicht verliehen“ werden, wie EU-Diplomaten es vergangene Woche formulierten. Gleichzeitig werden mögliche Verluste so weitgehend auf afrikanische Soldaten beschränkt.

Offizieller Vorwand für die Kriegsvorbereitungen ist die Machtübernahme durch Islamisten im Norden Malis. „Wenn der Norden Malis völlig zerfällt, wenn dort ein zweites Somalia entsteht, ein rechtsfreier, staatsfreier Raum, werden dort Terroristen ihren sicheren Hafen haben“, sagte der deutsche Außenminister Westerwelle nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Fabius.

Dass islamistische Kräfte den Norden Malis – ein Gebiet von der Größe Frankreichs – in den vergangenen Monaten unter ihre Kontrolle bringen konnten, ist eine Folge des Libyenkriegs. Unter der Herrschaft Gaddafis gehörte Libyen zu den wichtigsten Investoren in dem bettelarmen Land. Gaddafi vermittelte außerdem im Konflikt zwischen der Zentralregierung und den Tuaregs, die im kargen Norden des Landes für Autonomie kämpften, und bot vielen von ihnen Arbeit in Libyen.

Nach seinem gewaltsamen Sturz strömten zahlreiche Tuaregs ins Land zurück, die teilweise schwer bewaffnet waren. Sie wurden von Islamisten begleitet, die die Nato in Libyen im Kampf gegen Gaddafi unterstützt hatte. Der langjährige Präsident Amadou Toumani Touré verlor die Kontrolle und wurde Ende März in einem Militärputsch entmachtet. Anführer des Putsches war der in den USA ausgebildete Hauptmann Amadou Sanogo, der enge Beziehungen zu amerikanischen Geheimdiensten unterhalten soll.

Sozialer Hintergrund des Putsches war die mangelnde Bewaffnung der Regierungssoldaten, die gegen die Tuaregs kämpfen mussten, die seit Jahren herrschende Misswirtschaft und Korruption der heimischen Bourgeoisie sowie der Verkauf von Ackerflächen und Baumwollfirmen an Ausländer, der unter Bauern und der studentischen Jugend auf erheblichen Widerstand stieß.

Im politischen Chaos nach dem Putsch gelang es den aus dem Libyenkrieg zurückkehrenden Tuareg-Rebellen zusammen mit verbündeten Islamisten, weite Teile des Nordens unter ihre Kontrolle zu bringen. Anschließend vertrieben die Islamisten von Ansar Dine, Mujajo und kleineren Gruppen, denen Verbindungen zum nordafrikanischen Ableger der Terrornetzwerks al-Qaida (Aqmi) und finanzielle Unterstützung durch Kuwait nachgesagt werden, die Tuareg-Rebellen aus den meisten großen Städten und übernahmen die alleinige Herrschaft.

Medienberichten zufolge sind nach dem Kriegs-Beschluss des UN-Sicherheitsrats Hunderte Dschihadisten in den Städten Timbuktu und Gao im Norden Malis eingetroffen. Die radikal-islamistischen Krieger stammen teilweise aus dem Sudan und aus dem von Marokko beanspruchten Gebiet Westsahara und wollen den Norden Malis gegen eine geplante Offensive malischer und internationaler Truppen verteidigen. Auch aus Algerien, Ägypten, Pakistan und dem Jemen sollen islamistische Kräfte nach Nordmali unterwegs sein. In der malischen Hauptstadt Bamako fanden erste Demonstrationen gegen eine ausländische Intervention in dem Konflikt statt.

Einige Militärexperten rechnen deshalb damit, dass sich der Einsatz in Mali ähnlich wie in Afghanistan zu einem langen Krieg auswächst. Es sei eine Illusion zu glauben, man könne in Mali unbewaffnet Soldaten ausbilden, sagte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat der Leipziger Volkszeitung. „Das Risiko, dass daraus ein bewaffneter Konflikt wird, ist sehr groß.“

Während das Leid der Zivilbevölkerung – dreihunderttausend Menschen befinden sich auf der Flucht, viereinhalb Millionen Menschen sind wegen einer schweren Dürre von Hunger bedroht, mehr als eine halbe Million Kinder sind unterernährt – ins Unermessliche wächst, entwickelt sich in Mali vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein weiterer gefährlicher internationaler Brandherd, dessen Bedeutung weit über die Region hinausgeht.

Die Haltung von UN und EU wird von einer Gemengelage an verschiedensten Interessen bestimmt. Allen westlichen Staaten gemeinsam ist die Angst, dass die Machtübernahme durch Radikal-Islamisten zu einem Signal für Aufstände in anderen Regionen werden könnte. Aus diesem Grund werden die imperialistischen Mächte alles daran setzen, ein westlich orientiertes Marionettenregime zu installieren.

Das ehemalige Kolonialland Frankreich will darüber hinaus vor allem seinen Einfluss in Westafrika nach seiner Militärintervention an der Elfenbeinküste weiter ausbauen. Die USA, die vermutlich hinter dem gescheiterten Putsch standen, sind geostrategisch an einem Stützpunkt im westlichen Herzen Afrikas genauso interessiert wie an einer Zurückdrängung des chinesischen Einflusses in der Region. Deutschland will seinen wieder gewonnenen Großmachtstatus unter Beweis stellen und Frankreich und den USA auf keinen Fall das Feld überlassen.

Folter in Griechenland: Die EU zeigt ihr wahres Gesicht

quelle: wsws.org

Von Christoph Dreier
13. Oktober 2012

Mit ihrem Blitzbesuch in Athen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich gemacht, dass die Europäische Union ihre Angriffe auf die sozialen Rechte und Errungenschaften der arbeitenden Bevölkerung in ganz Europa weiter verschärfen wird.

Durch 7.000 Polizisten von der griechischen Bevölkerung abgeschirmt, raste Merkel am Dienstag in Athen durch menschenleer geräumte Straßen, um Ministerpräsident Andonis Samaras den Rücken zu stärken, damit er in seiner Sparpolitik nicht nachlässt. Anschließend traf sie sich mit Unternehmern, die sich dank der mittlerweile in Griechenland geltenden Hungerlöhne ein gutes Geschäft versprechen.

In der französischen Nationalversammlung verabschiedete am selben Tag eine große Koalition aus der regierenden Sozialistischen Partei, der konservativen UMP und der zentristischen MoDem den Fiskalpakt, den Merkel noch mit dem inzwischen abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy ausgehandelt hatte. Obwohl sein Nachfolger François Hollande die Wahl nicht zuletzt dank seines Versprechens gewonnen hatte, den Fiskalpakt neu zu verhandeln, wurde daran nicht ein Komma geändert. Er verpflichtet die Regierung, das Haushaltsdefizit durch radikale Einsparungen bei den Sozialausgaben zu senken.

Griechenland gilt als Modell für ganz Europa, seit es im April 2010 erstmalig Hilfskredite der EU beantragte. Die Lohnkürzungen, die Massenentlassungen und die Zerschlagung der Sozialsysteme, die verschiedene griechische Regierungen seither auf Anordnung der Troika durchgeführt haben, dienen als Vorlage für alle anderen Länder des Kontinents. Und obwohl dieser Kurs Griechenland in die tiefste Rezession seiner Geschichte gestürzt, breite Bevölkerungsschichten in Armut und Arbeitslosigkeit geworfen und die Staatsschulden trotz Einsparungen auf neue Rekordhöhen getrieben hat, wird er weiter verschärft und mittels des Fiskalpakts auf ganz Europa ausgedehnt.

Es ist offensichtlich, dass es dabei nur vordergründig um den Abbau von Schulden und um den Zusammenhalt der Eurozone geht. Die EU, die europäischen Regierungen und die Finanzaristokratie, die hinter ihnen steht, geben keine Ruhe, bis sie den Lebensstandard der europäischen Arbeiter auf jenen der Foxconn-Arbeiter in China oder der Bergarbeiter in Südafrika gesenkt haben.

Schon jetzt findet inmitten der Krise an der Spitze der Gesellschaft eine obszöne Bereicherung statt. Griechische Millionäre, die ihr Geld in der Schweiz in Sicherheit gebracht haben, werden nicht belangt, obwohl die griechischen Finanzminister seit zwei Jahren über entsprechende Daten verfügen. Die Milliarden aus den Eurorettungsfonds EFSF und ESM fließen direkt auf die Konten der Banken und von dort in die Taschen der Reichen, während die Arbeiter systematisch ausgeplündert und erniedrigt werden.

Griechenland ist nicht nur bei den sozialen Angriffen europäischer Vorreiter, sondern auch bei den politischen Angriffen auf die Arbeiterklasse.

Bisher hatten sich die Regierungen vor allem auf die Gewerkschaften und pseudolinke Organisationen wie die Koalition der Alternativen Linken (SYRIZA) gestützt, um den Widerstand der Arbeiterklasse in Schach zu halten. Die Gewerkschaften haben sorgfältig dosierte Proteste organisiert um Dampf abzulassen, und dabei eng mit der jeweiligen Regierung zusammengearbeitet. Syriza hat die Illusion verbreitet, die Europäische Union lasse sich reformieren und zu einer Politik im Interesse der Arbeiter bewegen, falls ihr nur genügend Wähler ihre Stimme geben, um eine Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Europäische Union zu unterbinden.

Doch diese Methoden allein reichen nicht mehr aus. So lautete eines der wichtigsten Wahlversprechen von Syriza-Chef Alexis Tsipras, er werde in enger Zusammenarbeit mit dem neu gewählten französischen Präsidenten Hollande den Kurs der EU verändern. Das war schon damals eine durchsichtige Lüge, doch spätestens die Verabschiedung des Fiskalpakts in Paris hat sie endgültig als Hirngespinst entlarvt.

Nun greift die griechische Regierung wieder zu Mitteln, mit denen die herrschende Klasse Europas schon in den 1930er Jahren gegen die Arbeiterklasse vorging – zu faschistischem Terror und autoritären Herrschaftsformen. Sie mobilisiert die rückständigsten Schichten der Gesellschaft, um Arbeiter einzuschüchtern und zu unterdrücken.

Die schwere Misshandlung von Demonstranten, die gegen die faschistische Partei Chrysi Avgi protestierten, durch die griechische Polizei ist in dieser Hinsicht ein Warnsignal für ganz Europa. Die Szenen, die sich in den Athener Gefängnissen abspielten, erinnern an die Folterpraxis in Abu Ghraib und waren in Europa zuletzt unter den faschistischen Diktaturen in Griechenland, Spanien und Portugal zu beobachten.

Die griechische Regierung hat die Chrysi Avgi in den letzten Monaten systematisch aufgebaut, ihre brutalen Attacken auf Migranten und politische Gegner gedeckt und sie durch die eigene Jagd auf Flüchtlinge und Migranten gestärkt. Die Polizei ist eng mit der faschistischen Partei verbunden.

All dies wird von den Vertretern der EU stillschweigend gebilligt. Während sich die deutsche Presse über die Hakenkreuze ereifert, mit denen einige Demonstranten Merkel empfingen, sind ihr die wirklichen Faschisten in Griechenland kaum eine Zeile wert. Der Grund ist, dass sich alle europäischen Regierungen darauf vorbereiten, sozialen Widerstand gewaltsam zu ersticken. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich die bisherige Rechtsprechung über den Haufen geworfen und den Einsatz der Bundeswehr im Innern für zulässig erklärt.

Der soziale Kahlschlag in Europa lässt sich mit Demokratie nicht mehr vereinbaren. Je stärker sich die Klassengegensätze in Europa zuspitzen, desto offener wenden sich die herrschenden Eliten autoritären Formen der Herrschaft zu. Was mit der Hatz auf Migranten begonnen hat und sich in Griechenland mit der Folter politischer Gegner fortsetzt, wird sich gegen die gesamte europäische Arbeiterklasse richten.

Deswegen ist die Verteidigung demokratischer Rechte untrennbar mit dem Kampf gegen die EU-Institutionen und ihre Politik der sozialen Konterrevolution verbunden. Wie in den Schicksalsjahren des 20. Jahrhunderts steht Europa wieder vor der Frage, ob die herrschende Elite, um ihren Reichtum zu sichern, den Kontinent mit Diktatur und Krieg überzieht oder die Arbeiterklasse die Macht übernimmt und der EU der Banken und Konzerne die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa entgegenstellt.

Dies erfordert zuallererst, dass sich Arbeiter und Jugendliche von den Gewerkschaften und pseudolinken Gruppen lösen, die alles daran setzen, sie den EU-Institutionen und dem bürgerlichen Staat unterzuordnen und so den Faschisten den Weg bahnen. Notwendig ist eine unabhängige Bewegung von unten und vor allem der Aufbau einer neuen internationalen Arbeiterpartei – des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

 

Der nächste Krisensieg

quelle: http://www.german-foreign-policy.com

Die für heute angekündigte Verabschiedung des EU-Fiskalpakts durch das französische Parlament besiegelt die Niederlage von Staatspräsident François Hollande im Krisen-Machtkampf gegen Berlin. Hollande war im Mai auch wegen der Ankündigung in sein Amt gewählt worden, gegen das deutsche Spardiktat vorzugehen, das sein Vorgänger Nicolas Sarkozy nicht hatte verhindern können. Mit dem erwarteten Parlamentsentscheid für den Fiskalpakt ist er endgültig gescheitert. Ebenfalls misslungen sind von Berlin empfohlene Bemühungen, die in Frankreich weiterbestehenden Widerstände gegen die deutsche Austeritätspolitik durch symbolische Zugeständnisse auszuhebeln: Es kommt zu ersten Massenprotesten, gravierende Brüche schwächen die französische Regierungskoalition. Um den machtpolitischen Anschluss an Deutschland auf lange Sicht wiederherzustellen, strebt Paris nach der Niederlage im Kampf gegen Berlins Spardiktat eine „Reindustrialisierung“ Frankreichs an. Von einem deutsch-französischen Gleichgewicht könne heutzutage „nicht mehr die Rede“ sein, heißt es in der deutschen Hauptstadt.
Der Fiskalpakt
Am heutigen Dienstag steht die Abstimmung der französischen Nationalversammlung über den EU-Fiskalpakt bevor. Eine Mehrheit für den Vertrag, der die unterzeichnenden Staaten auf eine strikte Austeritätspolitik nach deutschem Modell verpflichtet und dazu die nationale Etathoheit beschränkt, gilt als sicher. Zwar haben Abgeordnete vom linken Flügel des Parti Socialiste (PS) und von den an der Regierung beteiligten Grünen (Europe Écologie – Les Verts) angekündigt, dem Dokument ihre Zustimmung zu verweigern, weshalb eine eigenständige Regierungsmehrheit ungewiss ist. Aus den Reihen der oppositionellen UMP kommt jedoch ausreichend Unterstützung, um die Verabschiedung des Fiskalpakts sicherzustellen. Am Mittwoch soll der Vertrag dann vom Senat abgesegnet werden; die notwendigen Begleitgesetze liegen ebenfalls zur Bestätigung vor. In Kürze wird Paris damit den deutschen Forderungen nach Inkraftsetzung des Abkommens Rechnung getragen haben.
Modell Deutschland
Das Ja zum Fiskalpakt auf den EU-Gipfeln im Dezember 2011 und im März 2012 hatte bereits die Niederlage des damaligen Staatspräsidenten Sarkozy im Kampf um die EU-Krisenpolitik besiegelt. Sarkozy hatte sich lange Zeit mit aller Macht gegen die deutschen Spardiktate gestemmt – ohne Erfolg: Berlin konnte seine Austeritätspolitik nahezu uneingeschränkt durchsetzen. Schließlich sah sich der konservative Teil des französischen Establishments gezwungen, selbst eine Sparpolitik nach deutschem Modell („Hartz IV“) in die Wege zu leiten, um die Wirtschaft des Landes auf diese Weise gegenüber der übermächtigen deutschen Industrie zu stärken. Sarkozys Partei UMP erstellte daher ihr Programm für die Präsidentenwahl 2012 unter Anleitung der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU); man sprach offen vom „Modell Deutschland“ (german-foreign-policy.com berichtete ). Die Unterordnung unter die Berliner Austeritätspolitik trug zu Sarkozys Wahlniederlage gegen den heutigen Präsidenten Hollande bei, der sich im Wahlkampf als entschiedener Gegner der deutschen Spardiktate profilierte.
Placebos fürs Volk
Zwar räumten deutsche Experten Hollandes demonstrativer Gegnerschaft zur Berliner Politik von Beginn an keine Aussicht auf Erfolg ein. „Hollande wird all das, was er im Wahlkampf angekündigt hat, nicht realisieren“, äußerte kurz nach dessen Wahl etwa der deutsche Ökonom Rudolf Hickel. Dennoch hieß es in der deutschen Hauptstadt, man dürfe Hollande nicht allzu offen demontieren: In Frankreich sei „die Empfindlichkeit (…) gegenüber einer ‚deutschen Dominanz‘ (…) groß“: Trumpfe man offen auf, dann gerate man in Gefahr, die französische Linke auf die Barrikaden zu treiben. Stattdessen solle man dem französischen Staatspräsidenten einen EU-„Wachstumspakt“ zubilligen, um „seine Glaubwürdigkeit in Frankreich“ zu retten. In der Tat ist der „Wachstumspakt“ inzwischen verabschiedet worden; er umfasst längst bestehende Vorhaben und aus anderen EU-Haushaltsposten umgeschichtete Mittel, wird aber dennoch von Hollande in den aktuellen Auseinandersetzungen um den Fiskalpakt als Erfolg im Machtkampf gegen Berlin gepriesen. In der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) heißt es mit Blick auf den „Wachstumspakt“ und auf weitere „vor allem symbolische“ Maßnahmen wie die Erhöhung des Mindestlohns und die teilweise Wiedereinführung der Rente ab 60, es handele sich um „ein populistisches Geschenk an die Wähler“: „Sie sollen (…) ihr Vertrauen in die Politik zurückgewinnen.“ In Frankreich, „wo pompöses Auftreten (…) oft üblich ist“, dürfe „die Bedeutung solcher Gesten nicht unterschätzt werden“.
Im Palais Beauharnais
Das Bemühen, weiterbestehende französische Widerstände durch symbolische Zugeständnisse wie den „Wachstumspakt“ auszuhebeln, steht jedoch angesichts der Verabschiedung des Fiskalpakts im Parlament, die Hollandes Niederlage im Machtkampf gegen Berlin besiegelt, vor dem Scheitern. Am 30. September kam es in Paris zu ersten Massenprotesten gegen die deutschen Spardiktate – rund 80.000 Menschen gingen gegen die Austeritätspolitik auf die Straße. Zahlreiche Abgeordnete der Regierungskoalition wollen dem Fiskalpakt am heutigen Dienstag die Zustimmung verweigern. Über Staatspräsident Hollande heißt es, nicht nur seien seine „Popularitätswerte (…) eingebrochen“; er habe „auch in erstaunlicher Geschwindigkeit seinen Status als unumstrittene Führungsfigur der Linken eingebüßt“.  Die französische Linke zerfalle „in unversöhnliche Blöcke“, deren einer die Spardiktate weiterhin entschlossen ablehne. Über Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault hieß es vor wenigen Tagen in der deutschen Presse, er dürfe sich trotz erbitterten Streits um den Fiskalpakt im Parlament „zumindest im Palais Beauharnais, der Residenz der deutschen Botschafterin in Paris, (…) verstanden fühlen“
: Er habe sich „über die Spannungen im eigenen Lager beim Empfang zum Tag der Deutschen Einheit in der deutschen Botschaft mit einer Lobeshymne auf die deutsch-französische Freundschaft“ hinweggetröstet. Frankreichs Parlamentarier hingegen täten sich mit dem Vertrag noch etwas „schwer“.
Die Reindustrialisierung Frankreichs
Um den machtpolitischen Anschluss an Deutschland auf lange Sicht wiederherzustellen, strebt Paris nun eine „Reindustrialisierung“ des Landes an. Bereits letztes Jahr wiesen Experten darauf hin, dass die dominante Stellung Deutschlands in der EU mit der Stärke seiner Industrie verbunden sei. Die Bundesrepublik verfüge über dreimal so viele Exportfirmen wie Frankreich und führe dank der unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) beschlossenen „Hartz IV“-Reformen zum Beispiel sechsmal so viel nach China aus. Entsprechend sei der Anteil Frankreichs am Welthandel von sechs Prozent 1998 auf vier Prozent zurückgegangen. Während in Frankreich nur elf bis zwölf Prozent sämtlicher Beschäftigten in der Industrie tätig seien, seien es in Deutschland über 20 Prozent.  Frankreich müsse „sich reindustrialisieren“, verlangte der renommierte Forschungsdirektor der Investmentbank Natixis, Patrick Artus schon im November 2011. Hollandes Regierung hat sich die Forderung nach einer „Reindustrialisierung“ des Landes vollauf zu eigen gemacht. Sie gehört zu den Kernaufgaben von Industrieminister Arnaud Montebourg.
Kein Gleichgewicht
Über die gegenwärtigen Machtverhältnisse in der EU könne jedoch kurz vor der Verabschiedung des EU-Fiskalpakts durch das französische Parlament keinerlei Zweifel bestehen, heißt es in Berlin. Deutschland werde „weltweit als wirtschaftliche und auch politische Führungsmacht der EU angesehen“, schreibt das führende deutsche Fachblatt auf dem Gebiet der Außenpolitik, die von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) herausgegebene Zeitschrift „Internationale Politik“: „Von einem Gleichgewicht selbst mit Frankreich“ als „zweitstärkster EU-Volkswirtschaft“ sei heute nirgends mehr die Rede.

Operation D-Day – Die Rückkehr der Deutschen Mark

quelle: the intelligence

Deutschland in nicht allzu ferner Zukunft: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist abgesetzt, mit ihr sind die etablierten Parteien nach den Neuwahlen aus dem Bundestag geflogen. Die DMP stellt nach ihrem furiosen Wahlerfolg den Bundeskanzler, Franz Peter Roth. Und das Programm seiner Partei ist kurz, es konzentriert sich auf ein einziges Anliegen: die Rückkehr der Deutschen Mark.

Markus A. Will legt mit Die Stunde des Adlers einen Wirtschaftsthriller vor, der in der Zukunft spielt und doch im hier und jetzt seine Wurzeln hat. In seinem Buch, das durchaus dystopische Züge trägt, versucht der Autor nicht nur, die Frage zu beantworten, was passieren würde, wenn Deutschland die D-Mark wieder einführt, es gelingt ihm auch noch. Dabei schreibt der Privatdozent an der Schweizer Eliteuniversität HSG in St. Gallen auf eine Art, die es dem Leser schwermacht, sein Werk aus der Hand zu legen.

Die Deutsche Mark Partei ist aus der Bewegung der Markigen hervorgegangen. Diese hat auf einem neuerlichen Höhepunkt der europäischen Krise die Zeichen der Zeit erkannt und die Stimmung im Volk zum eigenen Vorteil genutzt. Der Preis für den Erfolg der Markigen ist das Ende des Euro und mit diesem das Ende des Europas, wie wir es kennen und kritisch beäugen. Zu viele Milliarden Euro sind geflossen, auch Frankreich ist mittlerweile auf das deutsche Sparbuch angewiesen, während Griechenland längst aus dem Euro ausgeschieden ist und dennoch nicht zur Ruhe kommt. Die Bundesbürger haben sich also entschieden und der DMP zum Wahlsieg verholfen. Diese will ihr Versprechen nur wenige Wochen nach der Wahl einlösen, hat dabei aber die Rechnung ohne die Bundesbank gemacht.

Hanns-Hermann von Hartenstein, Zentralbereichsleiter für internationale Währungspolitik bei den Frankfurter Hütern der Geldwertstabilität, führt die Projektgruppe, die die Wiedereinführung prüfen und schlussendlich vorbereiten soll. Anders als die deutsche Bevölkerung, die an den diabolischen Lippen der DMP hängt, versteht von Hartenstein, was für Konsequenzen die Wiedereinführung der DM hätte. Gleichwohl ist ihm bewusst, dass er sich dem Willen der gewählten Volksvertreter nicht wirklich widersetzen kann. Von Hartenstein braucht vor allem eins, nämlich Zeit. Zeit, um seinen Plan durchzusetzen und der schwarzen Pest, wie die frisch ins Amt gehobene Finanzstaatssekretärin Anna-Maria Kuhn von ihren Widersachern in der Bundesbank genannt wird, Einhalt zu gebieten. Kuhn als intellektueller Kopf der Markigen und intime Kennerin von Kanzler Roth ist wie von Hartenstein auch Vorsitzende der geheimen Projektgruppe, die die Wiedereinführung der DM vorbereiten soll. Sie verwirklicht mit ihrem Eintreten für die Renationalisierung der deutschen Währung allerdings weniger den Wunsch der vielen Deutschen, die der DMP ihre Stimme gaben, als vielmehr ihre eigenen Ziele, die nicht nur in der politischen Macht zu verorten sind.

Die Stunde des Adlers ist ein Thriller, der gleichermaßen beklemmend und erleichternd ist. Wegen seiner zeitlichen Nähe zu den Geschehnissen von heute und den häufigen Bezügen zu unserer Zeit hat man beim Lesen manchmal das Gefühl, versehentlich die Zeitung vom nächsten Jahr aufgeschlagen zu haben. Andererseits wird in diesem Buch auch deutlich, dass die Frage, wie mit dem Euro und der Europäischen Union zu verfahren ist, weder rein ökonomisch noch rein politisch zu beantworten ist. Während die geblendeten Massen politischen Hütchenspielern hinterherlaufen und das politische System Deutschlands, das wie alle westlichen Demokratien auf Checks and Balances beruht, eben dieser wechselseitigen Kontrollen beraubt wurde, ist die Bundesbank, die ob ihrer Unabhängigkeit weitestgehend frei von politischer Einflussnahme ist, die letzte Hoffnung für die Freunde Europas. Eine Institution, die in der Realität wie im Buch über eine hohe Reputation im Volk verfügt, eben weil sie sich nicht auf politische Grabenkämpfe einlässt.

Manchmal jedoch kommt die Zeit, in der man kämpfen muss, sogar gegen gewählte Volksvertreter. Ob von Hartenstein und seine wenigen Verbündeten den Kampf gegen die Übermacht der schwarzen Pest und ihrer Freunde für sich entscheiden können und wie verlustreich dieser Kampf wird, ist eine ebenso spannende wie kurzweilige Geschichte, bei deren Lesen nicht nur die eigene Ansicht über den Euro auf den Prüfstand kommt, sondern fast schon nebenbei interessante Einblicke in die Funktionsweise und Abläufe in der Bundesbank gewährt werden.

Allen ideologisch nicht verblendeten Menschen, die es ja auf beiden Seiten der Debatten um den Euro geben soll, sei dieses Buch ans Herz gelegt. Der einzige Kritikpunkt, der an dieser Stelle anzufügen wäre, ist der Umstand, dass das Buch mit knappen 240 Seiten etwas dünn ausgefallen ist. Andererseits verdichtet Markus A. Will dadurch auch dermaßen die Spannung, wie es einem derart sensiblen, hochpolitischen und immer aktueller werdenden Thema gebührt.

Was ist der Grund für weltweit steigende Aktienkurse?

gelesen bei: wsws

Von Andre Damon
2. Oktober 2012

Im letzten Jahr sind der amerikanische Aktienindex Dow Jones und der britische FTSE 250 um je zwanzig Prozent gestiegen, der DAX um 39 Prozent. Der NASDAQ, der hauptsächlich amerikanische Technologieunternehmen erfasst, hat seinen Rekord vom November 2007 bereits gebrochen, der Dow Jones liegt nur noch 600 Punkte unter seinem letzten Höchststand.

Während die Aktienkurse steigen, sinken die Produktionszahlen in Europa, China und den USA auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren. Die europäische Wirtschaft als Ganzes befindet sich im Rückgang. Am Donnerstag erschienen die neuesten schlechten Wirtschaftsdaten in den USA, laut denen die Aufträge für langlebige Wirtschaftsgüter so stark gesunken sind wie zuletzt 2009. Das amerikanische Wirtschaftswachstum wurde im zweiten Quartal von der bereits niedrigen Vorhersage von 1,7 auf 1,3 Prozent korrigiert.

Wie kann man erklären, dass die Aktienkurse in die Höhe schießen, obwohl die Weltwirtschaft immer tiefer in die Rezession stürzt?

Die boomenden Aktienkurse sind ein Ergebnis der weltweiten Umverteilung des Reichtums von unten nach oben. Die sozialen Bedingungen der Arbeiterklasse werden unablässig verschlechtert, während den Banken Billionen von Dollar überlassen wurden, hauptsächlich für Finanzspekulationen.

Dieser Prozess zeigt sich besonders deutlich in den Vereinigten Staaten, dem Zentrum des Weltkapitalismus und der Weltwirtschaftskrise.

Die drei wichtigsten Aktienindizes haben ihren Wert seit 2009 fast verdoppelt, und die Vermögen der Superreichen sind entsprechend gestiegen. Die 400 reichsten Milliardäre in den USA besaßen im Jahr 2009 zusammen netto 1,27 Billionen Dollar. Diese bereits obszöne Zahl ist, laut der diesjährigen Liste, in nur drei Jahren um 33 Prozent auf 1,7 Billionen gestiegen.

Die Gehälter der Vorstandschefs sind ähnlich gestiegen. Das Durchschnittsgehalt bei einem der 350 größten amerikanischen Unternehmen stieg laut dem Economic Policy Institute von 10,36 Millionen Dollar im Jahr 2009 auf 12,04 Millionen im Jahr 2010, und auf 12,14 Millionen im Jahr 2011.

Ganz anders sieht es jedoch für die arbeitende Bevölkerung aus. Von 2009 bis 2011 (dem jüngsten Jahr, für das Daten verfügbar waren) stieg die Zahl der Armen in den USA um 2,6 Millionen auf 49 Millionen Menschen. Die Massenarbeitslosigkeit wurde als Druckmittel benutzt, um in allen Wirtschaftszweigen Lohnsenkungen durchzusetzen.

Seit dem offiziellen Ende der Rezession im Juni 2009 hat sich die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von dreiundzwanzig auf 38 Wochen verdoppelt. Der Prozentsatz der arbeitsfähigen Bevölkerung, der Arbeit hat, ist gesunken, da das geringfügige Wachstum der Arbeitsplätze kaum mit dem Bevölkerungswachstum mithalten kann, und hunderttausende Entlassene haben es aufgegeben, Arbeit zu suchen.

Die Reallöhne der Beschäftigten sind um durchschnittlich ein Prozent gesunken. Allein im Jahr 2010 ging das Einkommen eines durchschnittlichen Haushalts um 1,7 Prozent zurück.

Durch die verstärkte Ausbeutung der Arbeiter konnten Unternehmen in großem Maße Kosten sparen und seit 2009 Rekordprofite einfahren; auch hierdurch vergrößerten sich die Einkommen der Superreichen.

Abgesehen von der direkten Verarmung der Arbeiterklasse wurden die Aktienmärkte auch durch den Zufluss von Geld aus den Zentralbanken der Welt stimuliert.

Im letzten Monat haben die amerikanische Federal Reserve, die Europäische Zentralbank und die Bank von Japan allesamt neue Maßnahmen eingeleitet, um hunderte Milliarden Dollar in die Finanzmärkte zu pumpen. Die amerikanische Fed ging dabei von den dreien am weitesten: Sie kündigte an, auf unbestimmte Zeit hin monatlich hypothekengestützte Wertpapiere im Wert von 40 Milliarden Dollar zu kaufen, um diese faulen Wertpapiere aus den Bilanzen der Banken zu entfernen.

Das vorgebliche Ziel dieser Aktionen ist es, die Zinsen zu senken, den Immobilienmarkt wiederzubeleben und die Geldmenge zu vergrößern, die den Unternehmen zur Verfügung steht, um zu expandieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Aber anstatt das Geld produktiv zu investieren, horten es die Unternehmen und Banken entweder oder investieren es auf den Aktienmärkten und für andere Formen von Spekulation.

Im zweiten Quartal dieses Jahres hatten die größten amerikanischen Konzerne insgesamt 1,7 Billionen Dollar zur Verfügung. Der Technologieriese Apple ist ein gutes Beispiel dafür. Er verfügte im ersten Quartal des Jahres über 110 Milliarden Dollar, im dritten über 117 Milliarden. Gleichzeitig steigt sein Marktwert, und es wird bereits darüber diskutiert, dass das derzeit 600 Milliarden Dollar schwere Unternehmen als Erstes einen Wert von einer Billion Dollar erreichen wird.

Die enormen Geldsummen, die ins Finanzsystem gepumpt werden, steigern den Wert der Wertpapiere und werden für Rekordgehälter für Vorstände genutzt, die oft an die Aktienkurse gebunden sind.

Diese Inflation der Wertpapierpreise kann angesichts einer anhaltenden wirtschaftlichen Flaute nicht ewig weitergehen. Die steigenden Preise für Aktien und andere Wertpapiere, die hauptsächlich aus den nahe null liegenden Zinsen und nahezu kostenlosem Geld von den Zentralbanken resultieren, führen zu einer neuen und noch größeren Spekulationsblase als die, die im September 2008 geplatzt ist.

Die steigenden Aktienkurse sind kein Ausdruck einer gesunden Wirtschaft, sondern einer zutiefst kranken, in der die unlösbaren Widersprüche des kapitalistischen Systems noch dadurch verschlimmert werden, dass eine gnadenlose und gierige Finanzaristokratie in den USA und weltweit die Politik diktiert.

Die herrschende Klasse in Amerika, zuerst unter Bush, danach unter Obama, reagierte auf den Börsenkrach von 2008, der durch die Dominanz des Finanzsektors über den amerikanischen Kapitalismus ausgelöst wurde, indem Billionen aus Steuergeldern an die Banken verteilt wurden. Das Ziel dieser Aktion war es, die Preise für Wertpapiere wieder zu erhöhen, um den Reichtum der Finanzaristokratie zu bewahren und zu mehren.

Die Regierungen der Welt folgten dem Beispiel und auf jede Bankenrettung folgten noch brutalere Angriffe auf die Arbeiter: Alles muss gekürzt werden: Löhne, Renten, Gesundheitswesen, Bildungswesen – alles, außer natürlich der Reichtum derjenigen, die für die Krise verantwortlich sind.

Die Finanzparasiten, die die großen Investmentunternehmen kontrollieren, ließen die Aktienmärkte mit jedem Angriff auf Arbeitsplätze und Sozialprogramme weiter steigen – zuletzt am Freitag letzter Woche, nachdem die spanische Regierung, deren Land in einer tiefen Rezession steckt, einen Haushaltsentwurf vorstellte, der für das nächste Jahr weitere 51 Milliarden Dollar Kürzungen vorsieht.

Der „Erfolg“ des Finanzkapitals basierte bisher darauf, dass es den Widerstand der Arbeiterklasse isolieren und niederschlagen konnte. Dabei verließ es sich auf die Dienste der Gewerkschaftsapparate und ihrer Verbündeten in den diversen pseudolinken Organisationen (wie der Neuen Antikapitalistischen Partei in Frankreich, der Socialist Workers Party in Großbritannien, der Linkspartei in Deutschland, SYRIZA in Griechenland, der International Socialist Organization in den USA).

Allerdings haben die Maßnahmen der Zentralbanken und Regierungen nichts bewirkt. Die Euphorie der Aktienmärkte ruht auf brüchigen Fundamenten. Die steigenden Aktienkurse sind ein Ausdruck für die Verschärfung der sozialen Spannungen, die bereits in Form explosiver Klassenkämpfe im Weltmaßstab auszubrechen beginnen. Eine neue revolutionäre Führung muss in allen Ländern aufgebaut werden, um diese Kämpfe miteinander zu vereinigen und mit einem sozialistischen und internationalistischen Programm zu bewaffnen.

 

 

«Jetzt kann ich sagen, wer die Halunken sind»

QUELLE : tagesanzeiger.ch

Von Philipp Löpfe.

Es gibt heute genug Nahrung für zwölf Milliarden Menschen, sagt Jean Ziegler. Wenn dennoch Menschen verhungern, sei das organisiertes Verbrechen. Die Haupttäter sind nach Ziegler die Spekulanten.

«Mein Buch ist auch ein Buch der Hoffnung»: Jean Ziegler, ehemaliger UNO-Sonderberichterstatter. (Archivbild)

«Mein Buch ist auch ein Buch der Hoffnung»: Jean Ziegler, ehemaliger UNO-Sonderberichterstatter. (Archivbild)
Bild: Keystone

Jean Ziegler, warum haben Sie gerade jetzt ein Buch über Hunger geschrieben?
Mein Mandat als UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung ist zu Ende. Das Buch ist eine Art Fazit dieser Tätigkeit.

Und wie lautet Ihr Fazit?
Ich kann endlich sagen, wer die Halunken sind. Weil ich täglich mit grossen Konzernen, dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und vielen Staatschefs zu tun hatte, musste ich zuvor lange schweigen.

Als Schweiger sind Sie nicht bekannt. Ist Ihnen das schwergefallen?
Sehr. Wenn ich beispielsweise in Guatemala ärmste Maya-Bauern besuchte und grossartig mit den weissen Toyotas, den blauen UNO-Fahnen und dem ganzen Tross vorgefahren bin, dann fühlte ich mich oft wie ein Verräter. Die Menschen schauten mich mit Hoffnung in ihren Augen an, und ich wusste, dass ich ihre Hoffnungen nicht erfüllen würde. Wenn ich das Einzige verlangt habe, das ihnen hilft – eine Landreform –, dann wusste ich, dass ich damit keine Chance hatte und dass der Vorschlag drei Monate später in New York abgeschmettert würde.

Das tönt sehr desillusioniert.
Das bin ich nicht. Mein Buch ist auch ein Buch der Hoffnung. Ich zeige auch, wo die Waffen des Widerstands gegen die kannibalische Weltordnung zu finden sind. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wäre heute nämlich eine Welt ohne Hunger möglich. Gemäss Angaben der Welternährungsorganisation gibt es auf dem Planeten genügend Nahrung für zwölf Milliarden Einwohner. Wenn heute immer noch Menschen verhungern, dann ist das ein organisiertes Verbrechen, ein Massenmord. Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren, eine Milliarde Menschen sind permanent schwerstens unterernährt.

Das Buch heisst «Wir lassen sie verhungern». Ich bin mir nicht bewusst, jemanden verhungern zu lassen.
Das stimmt, aber wir alle sind Komplizen. Wir lassen zu, dass multinationale Nahrungsmittelkonzerne und Spekulanten täglich darüber entscheiden, wer isst und lebt und wer hungert und stirbt. Es geht um den Zugang zur Nahrung. 1,2 Milliarden Menschen müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen.

Was kann der Einzelne dagegen tun? Geld spenden? Weniger Fleisch essen?
Sicher kann man sich fragen, ob man seinen Fleischkonsum nicht einschränken soll, wenn man weiss, dass rund ein Viertel des Getreides zum Füttern von Schlachtvieh verwendet wird. Aber hauptsächlich geht es darum, dass wir politisch tätig werden, um den Nahrungsmittelspekulanten und den Konzernen das mörderische Handwerk zu legen. Wir können das, wir leben in einer Demokratie.

Spekulation gibt es im Nahrungsmittelbereich seit Tausenden von Jahren. Was ist schlimm, wenn ein Bauer sich gegen Missernten versichert oder ein Bäcker seinen Mehlnachschub sicherstellt?
Nichts. Aber darum geht es auch nicht. Die Rohstoffspekulation von heute dient nicht diesem Zweck. Wenn wie jetzt in den USA ein Teil der Maisernte verdorrt, dann springen die Spekulanten auf diesen Zug auf und verstärken die Preisexplosion. Die Rohstoffmärkte sind «finanzialisiert» worden. Dabei verdienen Spekulanten Milliarden, während umgekehrt Millionen Menschen verhungern.

Wie könnte man diese Spekulation verhindern?
Indem alle Nicht-Produzenten und Nicht-Verbraucher von den Rohstoffbörsen ausgeschlossen würden, wenn also im übertragenen Sinn nur noch der Bauer und der Bäcker via Börse miteinander handeln würden.

Die Experten sind sich jedoch einig, dass gerade in Extremsituationen – Dürre, Überschwemmung, etc. – die Rohstoffmärkte offen und der Handel frei bleiben müssen. Bei der Hungerkatastrophe 2008 war es verheerend, dass einzelne Länder die Ausfuhr von Reis verhindert haben.
Hungerkatastrophen wie 2008 und 2011 sind zusätzliche Katastrophen zum alltäglichen Massaker des Hungers, zum sogenannten «Silent Hunger». Es ist richtig, dass damals grosse Reisexporteure wie Vietnam und Thailand die Grenzen dichtgemacht haben. Die Regierungen hatten Angst vor Aufständen im eigenen Land. Das ist verständlich. Aber für ein Land wie Senegal, das 75 Prozent seines Reisbedarfs importiert, war das eine Katastrophe.

Warum muss ein Land wie Senegal überhaupt Reis importieren? Nach wie vor besteht die überwiegende Mehrheit seiner Bevölkerung aus Kleinbauern.
Es ist eine Tatsache, dass in Prozent der Bevölkerung gesehen nirgendwo mehr Menschen hungern als in Afrika. Rund ein Drittel der Männer, Frauen und Kinder sind permanent unternährt.

Könnte man also nicht ein wenig provokativ sagen: Afrika leidet nicht wegen der Spekulanten, sondern weil es zu arm ist für die Spekulanten? Weil es für diese dort gar nichts zu verdienen gibt?
Nein, nein. Die Länder in Afrika haben grossartige Bauernzivilisationen mit einem grossen Wissen und einem äusserst fruchtbaren Boden.

Warum ist ausgerechnet Afrika der Kontinent, der am meisten von Hunger geplagt ist und der rund ein Viertel seiner Lebensmittel importieren muss?
Weil der koloniale Pakt nach wie vor in Kraft geblieben ist.

Ist das nicht ein bisschen schlicht gedacht? Der Kolonialismus ist seit mehr als einem halben Jahrhundert vorbei.
Aber es gibt nach wie vor eine kleine, von den reichen Ländern abhängige und äusserst korrupte Oberschicht. Nochmals der Senegal: Das Land exportiert Erdnüsse und importiert gleichzeitig drei Viertel seiner Nahrungsmittel.

Warum?
Weil der Kolonialpakt nie gebrochen wurde. Die senegalesischen Bauern werden gezwungen, weiterhin Erdnüsse anzubauen und zu exportieren, weil mit diesen Exporten die Auslandschulden bedient werden müssen. Gleichzeitig verhökert Europa seinen Nahrungsmittelüberschuss zu Dumpingpreisen auf den afrikanischen Märkten. Wie soll da der einheimische Kleinbauer überleben können?

Die afrikanischen Bauern sind nicht gerade sehr produktiv. Ihre Produktivität beträgt weniger als zehn Prozent der europäischen Landwirtschaft. Sind sie ganz einfach faul?
Im Gegenteil, es gibt kaum eine härtere Arbeit als Bauern in Afrika. Sie kommen auf keinen grünen Zweig, weil sie keinerlei Unterstützung erhalten: keine Bewässerung, keine Samen, keine Zugtiere, keine Traktoren, kein Kunstdünger, kein Garnichts.

Sind es aber nicht auch die fehlenden rechtsstaatlichen Institutionen der afrikanischen Länder, die Fortschritt und Wohlstand verhindern?
Es gibt ganz klar eine Strategie der multinationalen Konzerne, dafür zu sorgen, dass eine korrupte Oberschicht an der Macht bleibt, die verhindert, dass diese Institutionen entstehen.

Können Sie das belegen?
Im Kongo, einem Gebiet, das fast so gross ist wie Westeuropa und wo es riesige Bodenschätze gibt, wird Joseph Kabila, einer der korruptesten Diktatoren, den man sich überhaupt vorstellen kann, von den Rohstoffkonzernen unterstützt. Ebenso Paul Biya in Kamerun oder Campaoré in Ouagadougou. Einfache Bauern können daran nichts ändern. Sie haben keine Chance.

Was ist mit China? Profitieren die Afrikaner nicht von der neuen Konkurrenz aus Fernost?
Überhaupt nicht. China ist eine Diktatur, praktiziert eine neoliberale Wirtschaftspolitik und hat sich bestens ins System des Raubtierkapitalismus integriert. Peking unterstützt im Sudan eine scheussliche Diktatur in ihrem Vernichtungskrieg gegen die eigene Bevölkerung, weil es an den Ölvorkommen interessiert ist. Die Chinesen verhalten sich wie die westlichen Imperialisten im 19. Jahrhundert.

Nochmals zu den afrikanischen Kleinbauern. Sie müssen nicht nur gegen Diktatoren, sondern auch gegen die Klimaerwärmung kämpfen. Warum unterstützen wir sie dabei nicht mit Gentech-Pflanzen?
Um Gottes willen, nein! Erstens ist Gentechnologie für die Gesundheit gefährlich, und zweitens würde das diese Bauern geradewegs in die Finanzsklaverei von Agrokonzernen wie Monsanto führen. Die familiären Kleinbauern in Afrika könnten am produktivsten sein, wenn sie nur minimale Unterstützung erhielten. Das bestätigen alle Agronomen.

Ist das nicht eine sehr romantische Sicht? Das Leben dieser Bauern ist hart und eintönig.
Diese Bauern haben ein unglaubliches Wissen. Die fehlende Produktivität ist wie gesagt das Resultat von fehlenden Investitionen. Es ist auch ein sehr perfides Argument. Damit wird das sogenannte «Land Grabbing» legitimiert, der grossflächige Erwerb von Ackerland durch ausländische Spekulanten. Inzwischen hat man gemäss Weltbank den afrikanischen Bauern 41 Millionen Hektaren fruchtbaren Boden entzogen. Und was passiert mit den landlosen Bauern? Sie landen in den Slums der Grossstädte, in Drogen, Prostitution, Unterernährung und Massenelend.

Was tun?
Der französische Schriftsteller George Bernanos schreibt: «Gott hat keine anderen Hände als die unseren.» Entweder wir ändern diese kannibalische Weltordnung – oder sonst tut es niemand.